Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
Vom Netzwerk:
sich vor der Polizei verbergend, stieg er mit Tausenden Setzlingen in Spezialbehältern zu Fuß von den Bergen herab. Auch die anderen beiden Gruppen waren bei ihrer Suche erfolgreich gewesen, sodass
Cinchona
schon bald in Indien wuchs. Markhams Unternehmung rettete vielen Tausenden das Leben, nicht zuletzt, weil Ecuador, Peru und Bolivien die Chinarinde ausging – sie richteten die Bäume zugrunde, indem sie ihnen die Rinde abschälten. [529] Nachdem ihn dieser Erfolg zum Direktor der geographischen Abteilung des India Office, der obersten britischen Verwaltungsbehörde Indiens, gemacht hatte, beschloss Markham, mit Kautschukbäumen zu wiederholen, was er «bereits mit so glücklichem Ergebnis für die Chinarindenbäume» geleistet hatte. Nach seiner Überzeugung lieferte die britische Abhängigkeit vom Kautschuk den Wohlstand der Nation Ausländern aus. «Wenn man bedenkt, dass jedes Schiff auf See, jede Eisenbahn und jede Fabrik an Land, die mit Dampf betrieben wird, auf Gummi angewiesen ist», erläuterte Markham, «lässt sich die Bedeutung einer zuverlässigen Kautschukversorgung kaum überschätzen.» Ruhm würde denen zuteilwerden, die diese Versorgung sichern würden. Anfang der 1870 er Jahre gab Markham bekannt, dass Großbritannien für Kautschuksamen zu zahlen bereit sei. Wenn die Samen eintrafen, sollten sie in den Royal Botanic Gardens von Kew, südwestlich von London, ausgesät und die erfolgreich gezogenen Setzlinge in Großbritanniens asiatische Kolonien geschafft werden. Unabhängig voneinander schickten zwei Abenteurer eine Anzahl Kautschuksamen. Kein einziger keimte. Wickham war der dritte, der es versuchte.
    Der Kautschuk wurde für Wickham zur Rettung aus dem Schiffbruch, den er mit seiner Maniokplantage in Brasilien erlitten hatte. Nachdem er Markham listig die Zusage abgenommen hatte, dass ihm das India Office jeden Kautschuksamen abkaufen würde, den er schickte, bat Wickham seine Nachbarn um Hilfe beim Sammeln. Seine Plantage lag in Santarém, 640  Kilometer von der Mündung des Flusses entfernt, eine Kautschukstadt, die auf einer Jesuitenmission errichtet worden war, die auf einer indigenen Siedlung errichtet worden war. Zugleich war Santarém das größte Zentrum der Exkonföderierten am Amazonas. Mit Hilfe dieser Familien sammelte Wickham 70 000  Samen, die ihm genug einbrachten, um für sich und seine Frau die Überfahrt nach Großbritannien zu bezahlen. Offenbar unabgesprochen ließ er seinen Bruder und dessen Familie sowie seinen verwitweten Schwager zurück. Nach dem kühlen Empfang zu urteilen, der ihm in London bereitet wurde, hatte das India Office wohl nicht erwartet, dass ihm eine Dreivierteltonne Kautschuksamen in Rechnung gestellt würde. Auch war man dort nicht besonders glücklich, dass nur 2700 tatsächlich keimten – laut dem Umwelthistoriker Warren Dean ein Beweis dafür, dass Wickham und seine Helfer in wilder Hast durch den Wald gerannt waren und jeden Samen eingesammelt hatten, ohne sich von dessen Lebensfähigkeit zu überzeugen. [530]
    In Brasilien ist Wickham heute schlecht beleumundet. Fremdenführer bezeichnen ihn als «König der Diebe», als Pionier dessen, was man heute als Biopiraterie bezeichnet; die maßgebliche Wirtschaftsgeschichte Amazoniens nennt seine Handlungsweise «völkerrechtlich kaum zu rechtfertigen». Streng genommen ist das falsch; Brasilien hatte damals keine Gesetze gegen Biopiraterie. Auch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass irgendjemand versucht hätte, Wickham an seinem Vorhaben zu hindern. Die Briten machten kein Geheimnis daraus – die Londoner Zeitungen berichteten umfassend von Markhams Bemühungen um Kautschuk. Sicherlich wussten auch die Behörden in Santarém, dass ein verrückter Engländer Kautschuksamen kistenweise einsammelte. Im Übrigen haben die Brasilianer selbst bedenkenlos exotische Arten importiert. Die bedeutendsten landwirtschaftlichen Ausfuhrprodukte des Landes sind heute Sojabohnen, Rindfleisch, Zucker und Kaffee. Nicht eines davon ist ursprünglich heimisch auf dem amerikanischen Kontinent. [36]
    Wichtiger noch, die Verbreitung nützlicher Arten über ihre ursprünglichen Standorte hinaus war ein Segen für die Menschheit. Das Chininvorkommen in den Anden war viel zu klein für den Weltbedarf, selbst wenn die Sammler jeden Chinarindenbaum aufgespürt hätten. Markhams «Biopiraterie» ersparte zahllosen Menschen in Asien und Afrika einen frühzeitigen Tod. Die Einführung der Kartoffel in Europa und der

Weitere Kostenlose Bücher