Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
sein.»
Auf diese Anreize hin strömten Unternehmen und Kleinbauern über die Grenze. Sie warben in China ansässige Dai und Akha an, damit diese mit ihren fernen Verwandten in Laos zusammenarbeiteten. Die meisten Laoten lebten in kleinen Dörfern ohne Strom und fließendes Wasser; von Schulen und Krankenhäusern konnten sie nur träumen. In der Hoffnung, ihre materiellen Lebensbedingungen zu verbessern, setzten sie voller Optimismus auf den Kautschukanbau und schlossen mit Firmen und Farmen in China entsprechende Verträge ab. «In China waren sie genauso arm wie wir», berichtete mir ein Dorfbewohner. «Jetzt sind sie reich – besitzen Motorräder und Autos –, weil sie Kautschuk angepflanzt haben. Wir wollen das Gleiche haben.»
Niemand weiß genau, wie viel
H. brasiliensis
jetzt in Laos wächst; die Regierung hat keine Mittel für Bestandsaufnahmen. Laut dem Anthropologen Yayoi Fujita von der University of Chicago nahm der Kautschuk im Sing-Distrikt ganz in der Nähe der Grenze 2003 einen knappen Quadratkilometer ein. Drei Jahre später waren es vierundvierzig Quadratkilometer. Ein ähnliches Wachstum war in vielen anderen Distrikten zu beobachten. Die laotische Regierung schätzt, dass im Jahr 2010 rund 1800 Quadratkilometer des Landes mit Kautschuk bepflanzt waren, achtmal so viel wie noch vier Jahre zuvor. Und die Rodung wird im gleichen Tempo fortschreiten, einschließlich der Auswirkungen dieser Rodung. [37]
«Um 5000 Quadratkilometer Kautschuk abzuernten, braucht man 200 000 Arbeiter», erklärte mir Klaus Goldnick, Regionalplaner in der nördlichen Provinzhauptstadt Luang Namtha. «Die ganze Provinz hat nur 120 000 Einwohner. Die einzige Lösung besteht darin, chinesische Arbeiter anzuwerben.» Aber, fuhr er fort, «viele Menschen leben hier vom Wald. Wenn es ihn nicht mehr gibt, wird es für sie schwierig zu überleben. Ausländische Unternehmen zahlen eine Nutzungsgebühr an den Staat», rund 1 , 50 Dollar pro Baum, «je mehr Bäume, desto mehr Gebühren».
Die ersten Plantagen wurden überwiegend von Dorfbewohnern angelegt, die von sich aus ein paar Hektar abholzten oder mit genauso kleinen Plantagen in China zusammenarbeiteten. Später schalteten sich die größeren chinesischen Unternehmen ein, darunter auch einstige Staatsbetriebe. Da Kautschukbäume sieben Jahre zur Reifung brauchen, sind die Unternehmen natürlich bestrebt, langfristige Vereinbarungen mit den Menschen zu treffen, die sie pflanzen und pflegen. In einen dieser Verträge – abgeschlossen zwischen der chinesischen Firma Huipeng Rubber und drei Dörfern in der Provinz Luang Namtha – durfte ich Einsicht nehmen.
Der sowohl auf Chinesisch wie auf Laotisch formulierte Vertrag umfasste vierundzwanzig nummerierte Absätze. Drei waren Standardformulierungen: juristische Beschreibungen Huipengs und der Dörfer. Achtzehn erklärten die Rechte und Privilegien des Unternehmens. Einer führte die Rechte und Privilegien der Dorfbewohner auf. In der Hektik der Situation habe ich die Zahlen wohl etwas durcheinandergebracht – man zeigte mir die Papiere, während einer der Dorfvorsteher und ein Firmenbevollmächtigter mir beide ihre Sicht der Dinge erläuterten, jeder in einer anderen Sprache. Aber es war nicht zu übersehen, dass Huipengs Manager den Vertrag durch ihre Unterschriften bestätigt hatten, während die Dorfbewohner zu diesem Zweck ihre Daumenabdrücke auf dem Papier hinterlassen hatten. Laut Vertrag musste jedes Dorf einen bestimmten Anteil seines Landes mit Kautschuk bepflanzen. Dafür verpflichtete sich Huipeng, die Straßen des Dorfs und die dorthin führende Fernstraße auszubessern. Aber die Firma konnte ihre Rechte an dem Land nach Belieben verkaufen und für die Pflege der Bäume einstellen, wen sie wollte, auch Arbeiter aus China. Rund siebzig Prozent der Kautschukerlöse standen den Dorfbewohnern zu, «je nach den tatsächlichen Ergebnissen der Pflanzung» – eine extrem dehnbare Klausel, wie mir schien. Derartige Verträge zwischen Unternehmen und Dorfbewohnern sind in China an der Tagesordnung – die Tabakfelder, die ich in dem fujianesischen Hügeldorf besichtigt hatte und in Kapitel 5 erwähnte, waren aufgrund eines solchen Kontrakts angelegt worden. Doch die Vereinbarungen in Luang Namtha schienen mir weit weniger fair zu sein. Mir sah der Vertrag eher nach einem jener Dokumente aus, die zustande kommen, wenn eine Seite einen Rechtsanwalt hat, der ihre Interessen wahrnimmt, und die andere Seite
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