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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Plantagen in Xishuangbanna Militärstützpunkte; Unbefugten war der Zutritt verboten. Unbefugt waren auch die Dai und Akha, die in unmittelbarer Nachbarschaft lebten. Gegenüber den Minderheiten in den Bergen genauso misstrauisch wie einst die Qing, holten die Kommunisten mehr als 100 000  Han-Arbeiter in den autonomen Bezirk, viele von ihnen Studenten aus fernen Provinzen, und bildeten aus ihnen Arbeitskolonnen, denen revolutionärer Eifer eingeimpft wurde. «China braucht Kautschuk!», wurde ihnen gesagt. «Das ist eure Chance, mit eurer Hände Arbeit eurem Land zu helfen!» Jeden Tag um drei Uhr morgens wurden die Leute geweckt und zum Roden des Waldes ausgeschickt, wie einer der Ehemaligen der Anthropologin Judith Shapiro, der Autorin von
Mao’s War Against Nature
, berichtete:
    «Jeden Tag waren wir bis sieben oder acht Uhr morgens im Holz, dann bekamen wir zum Frühstück eine Reissuppe, die aus der Regimentsküche [Yunnan-Armee] geschickt wurde. Wir verlasen und studierten die ‹Drei Aufsätze› des Vorsitzenden Mao und schworen uns auf den Kampf gegen Kapitalismus und Revisionismus ein. Dann ging es zurück an die Arbeit bis zur Mittagspause, und danach noch einmal bis 18  Uhr. Wenn wir uns gewaschen und gegessen hatten, folgten weitere Stunden gemeinsamer Studien und der Kritik.»
    Die Warnungen der Botaniker wurden von den jungen Leuten als konterrevolutionär in den Wind geschlagen und die Kautschukbäume in Höhenlagen gesetzt, wo sie von Stürmen und Frost vernichtet wurden. Anschließend pflanzten sie sie wieder an genau dieselben Stellen – der Sozialismus werde die Natur überwinden, behaupteten sie. Diese Besessenheit ließ die Hügelhänge veröden, verschlimmerte die Erosion und zerstörte die Bäche. Aber Kautschuk brachte sie kaum. Ende der 1970 er Jahre begannen die Wirtschaftsreformen im Land. Die gebildeten jungen Leute entflohen in ihre Heimatstädte und lösten dadurch einen plötzlichen Arbeitskräftemangel aus. Die einheimischen Dai und Akha erhielten schließlich die Erlaubnis, Kautschukplantagen anzulegen. Sie waren fleißig und tüchtig. Zwischen 1976 und 2003 vergrößerte sich das Kautschukanbaugebiet um den Faktor zehn, wodurch der tropische Bergwald von 50 , 8  Prozent des Bezirks auf 10 , 3  Prozent schrumpfte. Die Region glich einem Meer von
Hevea brasiliensis
.
    Anders als das flache Amazonasbecken ist Xishuangbanna eine Ansammlung von Hügeln. Werden die Bäume auf die Hänge gepflanzt, bekommen sie viel Sonne und laufen nicht Gefahr, in Wasserpfützen zu stehen – eine ständige Gefahr im Amazonasgebiet, da das Wasser die Wurzeln schädigt. Laut Hu Zhouyong vom Forschungsinstitut für tropische Nutzpflanzen in Jinghong, der Hauptstadt des Bezirks, veranlassen die relativ extremen Temperaturen die Pflanzer dazu, außergewöhnlich robuste Bäume zu züchten, die unabhängig von den Wetterbedingungen mehr Kautschuk produzieren. «In Hinblick auf die Produktivität ist Xishuangbanna allen anderen Anbaugebieten auf der Welt voraus», erklärte mir Hu. [537]
    Als das wirtschaftlich aufblühende China zum größten Kautschukkonsumenten der Welt wurde, ging seinen Kautschukproduzenten in Xishuangbanna das Land aus – jeder Zentimeter war bereits bebaut. Neidisch blickten sie über die Grenze nach Laos; mit rund sechs Millionen Menschen auf einem Gebiet von der Größe Großbritanniens war es das am dünnsten besiedelte Land Asiens. Einige Dörfer in Nordlaos hatten bereits 1994 mit Anpflanzungen begonnen. Doch der richtige Impuls erfolgte erst Ende des Jahrzehnts, als China seine «Geht hinaus»-Strategie verkündete: die Aufforderung an chinesische Unternehmen, im Ausland zu investieren. Der Staat hatte bereits die alten vom Militär geführten landwirtschaftlichen Betriebe in Privatfirmen umgewandelt – Unternehmen mit ungeheurem politischem Einfluss. Im Rahmen der «Geht hinaus»-Strategie erklärte Peking, es werde den Kautschukanbau in Laos und Myanmar als Opiumersatzprogramm einstufen und damit die ehemaligen Militärplantagen subventionsfähig machen: für bis zu achtzig Prozent des Startkapitals für den Kautschukanbau jenseits der Grenze und die Zinsen auf Darlehen. Zudem werde der importierte Kautschuk weitestgehend von Zollgebühren befreit. Welche Unternehmen diese Vergünstigungen erhalten, ist unklar. «Die Vergabe der Subventionen», erläuterte mir der Wirtschaftswissenschaftler Weiyi Shi, «ist undurchsichtig und scheint von Vetternwirtschaft geprägt zu

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