Kolumbus kam als Letzter
westlichen Siedlung, die die Wikinger um 1000 errichteten
und 1350 aufgaben (BdW, 10.5.2001).
Ein einheitliches Wikingerreich gab es zu keiner Zeit. Gisle Oddson, Bischof von Skalholt auf Island, trägt in den »Isländischen Annalen«
ein: »Grönlands Bewohner begaben sich zu den Völkern des Wes-
tens«. Unmittelbar im Westen von Grönland liegt Amerika …
Man glaubt, dass die Wikinger durch die Eskimos bedroht wurden,
als sie um 1350 Grönland verließen, bevor später neue Siedler
kamen. Grund war jedoch die einsetzende Kleine Eiszeit mit einer
dramatischen Verschlechterung des Klimas und der erneuten Bil-
dung von Eis auf Grönland. Aber gibt es weitere Beweise für ein
eisfreies Grönland während des Mittelalterlichen Klimaoptimums?
Karten beweisen eisfreie Pole
Dass die riesigen Felder von Packeis und Treibeis vor Ostgrönland
nicht immer dort waren, zeigt auch der Bericht des norwegischen
Priesters Ivar Bardarsson aus dem 14. Jh.: eine Topographie von
Grönland anlässlich seines Besuchs der Insel. Er schildert in seiner Einleitung den Seeweg von Island aus nach Grönland und bemerkt,
es gebe einen alten Kurs, der direkt von Island westwärts führt, bis man Grönland erreicht. Doch »heutzutage ist das Eis von Nord-osten heruntergekommen«, sodass niemand den »alten Kurs segeln
und hoffen kann, dass man wieder etwas von ihm hört« (zitiert in:
Steinen, 1982, S. 230).
Diese Klimaverschlechterung wurde von Dr. Lauge Koch (Beglei-
ter des Polarforschers Alfred Wegener) durch eine Sammlung von
Daten rund um Island im Jahre 1945 bestätigt. Nach seinen For-
schungen war das Nordmeer von 860 bis 1200 rings um Island
immer eisfrei, in Übereinstimmung mit den Angaben im norwegi-
schen »Königsspiegel«. Von 1200 an begann Eisbedeckung als ein
Vorläuferphänomen der Kleinen Eiszeit und sie nahm bis auf ein
Maximum zwischen 1260 und 1400 zu. Diese Datensammlung
deckt sich mit den Angaben der Wikinger im »Königsspiegel« und
dem Bericht von Ivar Bardarsson.
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Die Wikinger scheinen den Atlantik zielsicher überquert zu haben,
auch wenn sie, wie die Sagas von einem Fall berichten, vom geplan-
ten Kurs abkamen. Weder Seenot noch auswegloses Packeis wer-
den in den älteren Berichten erwähnt. Geräte oder einen Kompass
traut man den barbarischen Wikingern nicht zu. Aber wer Karten
zeichnen kann, sollte ja wohl auch navigieren können.
Der Archäologe C. L. Vebaek fand bei Ausgrabungen in Grönland
die zerbrochene Hälfte einer etwa zehn Zentimeter großen Holz-
scheibe mit eigenartigen Ritzungen und Kerben, die er als Be-
standteil eines Kompasses identifizierte. Dieser Taschenkompass
funktioniert nach dem Prinzip der Sonnenuhr. Der dänische Schiff-
fahrtsexperte Sören Thierslund sieht hierin den Schlüssel der Navi-
gationskunst der Wikinger. Überraschend ist auch die Erkenntnis,
dass Wikinger bereits optische Linsen gekannt haben, die sich sogar
für Teleskope eignen. Wissenschaftler um Bernd Lingelbach vom
Institut für Augenoptik der Fachhochschule Aalen haben Linsen aus einer Wikingersiedlung auf Gotland untersucht. Bisher hatte man
diese ausschließlich für Schmuck oder Verzierungen gehalten
(SpW, 12.4.2000).
Damit ist die offizielle Sichtweise, dass Schifffahrt damals nur entlang der Küstenlinien erfolgte, hinfällig. Deshalb braucht man sich
auch über teilweise umstrittene Landkarten der Wikinger nicht zu
wundern. Im Oktober 1965 verkündeten Gelehrte der Yale Uni-
versity in New Haven der staunenden Welt, sie seien im Besitz einer mittelalterlichen Weltkarte, die schon einen Teil Nordamerikas zeigte, bevor Christoph Kolumbus überhaupt zu seiner histo-
rischen Fahrt aufgebrochen war. Es entbrannte ein Streit um die
Karte. Eine akribisch durchgeführte Datierung mit der Radiokar-
bonmethode des Pergaments weist auf das Jahr 1434 hin. Als Be-
weis für die Echtheit der Karte müsste auch das Alter der Tinte da-
tiert werden, was allerdings aufgrund der geringen Probenmenge
zurzeit noch nicht möglich ist. Jedoch wurde festgestellt, dass der
Vinland-Teil mit etwas anderer Tinte gezeichnet wurde. Ob ein-
fach nur ein neues Tintenfläschchen angebrochen wurde, ob viel-
leicht ein paar Tage oder Wochen zwischen den Zeichnungen ver-
gangen sind, oder gar Jahrhunderte, das lässt sich bislang nicht
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Abb. 65: Kompass. Oben: Bereits
die Wikinger benutzten einen
Kompass zur Bestimmung des
geographischen Nordpols, der nach
dem Prinzip
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