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Kolyma

Kolyma

Titel: Kolyma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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voll und ganz auf seine entführte Tochter konzentrieren werde, Raisa solle sich bei ihrem Zustand keine Sorgen machen. Sie hatte sich Frajeras Forderungen angehört und geantwortet:

    Tu, was nötig ist.

    Frajera hatte die Kontrolle über eine Verbrecherbande übernommen. Soweit Leo beurteilen konnte, gehörte sie nicht zu den torpedy, den einfachen Fußsoldaten - sie war die awtoritet, die Anführerin. Eigentlich hieß es, dass die wory Frauen verachteten. Sie schrieben zwar Lieder darüber, wie sehr sie ihre Mutter liebten, und brachten einander um, wenn der eine die Mutter des anderen beleidigt hatte, aber deshalb hielten sie Frauen noch lange nicht für ebenbürtig. Trotzdem hatte es die Frau eines Priesters, die ihr Leben im Schatten ihres Mannes verbracht und ihn in seiner Aufgabe unterstützt hatte, geschafft, in die worowskoi mir vorzudringen, ja sie hatte es bis ganz nach oben geschafft. Frajera hatte sich die Rituale der Männer zu eigen gemacht. Ihren Körper hatte sie mit Tätowierungen geschmückt und ihren eigentlichen Namen abgelegt zugunsten eines klikucha, eines wory-Spitznamens. Die geheime Welt der worowskoi mir schützte sie, und ihre Machenschaften wurden wahrscheinlich von Taschendieben und Handel auf dem schwarzen Markt finanziert. Wenn sie es von Anfang an auf Rache abgesehen hatte, dann hatte sie sich auf jeden Fall die richtigen Verbündeten ausgesucht. Die wory-Banden waren die einzigen Gruppierungen, über die der Staat keine Kontrolle hatte. Es war unmöglich, ihre Reihen zu infiltrieren, das hätte viel zu lange gedauert. Ein Polizist hätte jahrelang verdeckt operieren, morden und vergewaltigen müssen, um sich zu beweisen. Nicht, dass der Staat für so etwas keine geeigneten Kandidaten finden konnte, aber bislang hatte man den wory keine große Bedeutung zugemessen. Diese Banden funktionierten nach ihrer eigenen, undurchdringlichen Binnenstruktur von Loyalität und Belohnung. Keine dieser Gruppierungen hatte je ein Interesse an Politik gezeigt, jedenfalls bis dato nicht - bis Frajera auf der Bildfläche erschienen war.
    Hätte Frajera ihre Forderung, den Ehemann freizulassen, vor ihren Morden gestellt, wäre das vielleicht sogar möglich gewesen. Chruschtschows Rede hatte das bisherige Rechtssystem aus den Angeln gehoben. Mit Hinblick auf Lasars Verurteilung zu fünfundzwanzig Jahren hätte Leo auf einen Straferlass hinwirken können, eine Begnadigung oder die Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung. Zum Problem wäre allenfalls Chruschtschows neue Kampagne gegen die Religion geworden. Nach den Morden jedoch bestand keine Chance mehr, noch über Lasars Freilassung zu verhandeln. Da gab es keinen Spielraum. Frajera war eine Terroristin, die man zur Strecke bringen und töten musste, und dabei war es ganz egal, dass sie Soja als Geisel genommen hatte. Frajeras Bande galt jetzt als konterrevolutionäre Zelle. Es machte die Sache nicht besser, dass sie keinerlei Neigung zeigte, ihren Blutdurst zu zügeln. In den Tagen unmittelbar nach Sojas Entführung hatte Frajera mehrere Staatsbeamte ermorden lassen, Frauen und Männer, die unter Stalin gedient hatten. Einige waren genauso gefoltert worden, wie sie früher selbst gefoltert hatten. Als ihnen der Spiegel ihrer eigenen Verbrechen vorgehalten wurde, hatten die Machteliten es mit der Angst bekommen. Sie forderten die Tötung jedes Mitglieds von Frajeras Zelle und von jedermann, der ihnen half.
    Zum Glück für Leo war sein Chef Frol Panin ein ehrgeiziger Mann. Obwohl der KGB und die Miliz die größte Menschenjagd in Gang gesetzt hatten, die Moskau je erlebt hatte, hatten sie keine Spur von Frajera und ihrer Bande gefunden. Den lautstarken Forderungen nach ihrer Ergreifung folgten nur Fehlschläge. Die Presse berichtete von den Vorgängen nichts und schrieb in den Tagen nach den grauenvollsten Hinrichtungen lieber über die wirtschaftliche Entwicklung, so als ob deren Zahlen die auf der Straße grassierenden Gerüchte ersticken könnten. Staatsdiener schafften ihre Familien aus der Stadt. Eine Flut von Urlaubsanträgen war eingegangen. Die Situation war unerträglich. Panin begehrte offenbar den Ruhm desjenigen, der Frajera zur Strecke gebracht hatte, den Lorbeerkranz des heldenhaften Drachentöters, und Lasar war sein Köder. Da er nicht dafür sorgen konnte, dass Lasar auf normalem Wege freigelassen wurde, womit man ja zugegeben hätte, dass der Staat erpressbar war, blieb als einzige Möglichkeit, ihm zum Ausbruch zu verhelfen. Panin

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