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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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dir?«
    »Nicht viel«, sagte Harry, beendete die Verbindung und ließ das Handy in die Tasche rutschen.
    Dann öffnete er die andere Hand.
    Starrte auf das Plattenregal. Der Schlüssel lag bei W.
    »Nicht viel«, wiederholte er.
    Auf dem Weg zum Bad zog er sein T-Shirt aus. Das Bettzeug war weiß, sauber und kalt. Und die Stille vor dem offenen Fenster total und die Nachtluft frisch und rau. Er würde nicht eine Sekunde schlafen.
    Er streckte sich aus und lauschte dem Pfeifen des Windes. Dem Pfeifen durch das Schlüsselloch eines schwarzen, uralten Eckschranks.
    Die Wachhabende der Einsatzzentrale empfing die Nachricht von dem Feuer um 4.06 Uhr. Als sie die aufgeregte Stimme des Feuerwehrmanns hörte, nahm sie automatisch an, dass es sich um einen größeren Brand handelte, der eine Verkehrsumleitung erforderte oder die Bergung von Wertsachen, Verletzten oder gar Toten.
    Sie war deshalb ziemlich überrascht, als der Mann von einer Rauchentwicklung in einer bereits geschlossenen Osloer Bar sprach und davon, dass das Feuer von allein wieder ausgegangen sei, ehe sie eingetroffen waren. Noch überraschter war sie, als der Feuerwehrmann sie trotzdem bat, unverzüglich jemanden rauszuschicken. Und erst in diesem Moment wurde ihr klar, dass das, was sie für Aufregung gehalten hatte, schiere Panik war. Die Stimme zitterte wie bei jemandem, der im Laufe seines Berufslebens schon viel gesehen hatte und trotzdem nicht auf das vorbereitet war, was er jetzt vor sich sah und zu vermitteln versuchte.
    »Ein Mädchen. Sie muss mit brennbarer Flüssigkeit übergossen worden sein, auf dem Tresen stehen lauter leere Schnapsflaschen.«
    »Wo sind Sie?«
    »Sie … sie ist total verkohlt. Und an ein Wasserrohr gefesselt.«
    »Wo sind Sie?«
    »Die Fessel geht um den Hals. Sieht aus wie ein Fahrradschloss. Sie müssen kommen, so schnell wie möglich.«
    »Ja, aber wo sind Sie?«
    »In Kvadraturen. Die Bar heißt Come As You Are. Mein Gott, sie ist noch so jung …!«

Kapitel 40
    S tåle Aune wachte um 6.28 Uhr auf. Aus irgendeinem Grund glaubte er zuerst, das Klingeln käme vom Telefon, bis er realisierte, dass es der Wecker war. Er musste geträumt haben. Aber da er von Traumdeutung ebenso wenig hielt wie von Psychotherapie, versuchte er gar nicht erst, den Gedanken zurückzuverfolgen, sondern schlug auf den Wecker und schloss die Augen, um die zwei Minuten zu genießen, bis es halb sieben war und der zweite Wecker zu klingeln begann. In der Regel hörte er in diesen Minuten die nackten Füße von Aurora über den Boden rennen, die als Erste im Bad sein wollte.
    Heute war es still.
    »Wo ist Aurora?«
    »Sie übernachtet doch bei Emilie«, murmelte Ingrid mit belegter Stimme.
    Ståle Aune stand auf. Duschte, rasierte sich, frühstückte in schweigender Zweisamkeit mit seiner Frau, während sie Zeitung las. Ståle war inzwischen recht gut darin, Artikel auf dem Kopf zu lesen. Den Beitrag über die Polizistenmorde übersprang er, sie hatten doch nichts Neues und kamen nur wieder mit neuen Spekulationen.
    »Kommt sie nicht nach Hause, bevor sie zur Schule muss?«, fragte Ståle.
    »Sie hat ihre Schulsachen mit.«
    »Ah ja. Findest du das mit dem Übernachten eigentlich gut, wenn am nächsten Tag Schule ist?«
    »Nein, im Gegenteil. Du solltest da mal durchgreifen.« Sie blätterte weiter.
    »Weißt du, was Schlafmangel mit dem Gehirn anstellen kann, Ingrid?«
    »Der norwegische Staat hat sechs Jahre Studium finanziert, damit du es weißt, Ståle. Da wäre es doch wirklich eine ziemliche Verschwendung von Steuergeldern, wenn ich es auch wüsste.«
    Ståle empfand schon seit jeher eine Mischung aus Verärgerung und Bewunderung für Ingrids Schlagfertigkeit so früh am Morgen. Vor zehn Uhr konnte er ihr niemals Paroli bieten. Erst gegen Mittag stand er vielleicht mal eine Runde durch. Realistisch gesehen, konnte er aber erst am frühen Abend darauf hoffen, auch einmal verbal den Sieg davonzutragen.
    Er dachte noch einen Moment darüber nach, als er rückwärts aus der Garage fuhr und sich auf den Weg zu seinem Büro in der Sporveisgata machte. Würde er es überhaupt mit einer Frau aushalten, die ihn nicht Tag für Tag auf die Bretter schickte? Wüsste er nicht so viel über Genetik, wäre es ihm ein Rätsel, wie sie beide ein derart liebenswertes, gefühlvolles Kind wie Aurora in die Welt hatten setzen können. Dann verblassten diese Gedanken. Der Verkehr war dicht, aber nicht dichter als sonst. Um zwölf hatten sie ein Treffen im

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