Komisch - die Liebe
Schatten. Dieser Schatten, der nun an mir klebt wie der beste aller Liebhaber.
Warum durchbohrt sie mich mit ihren Worten, wenn sie von der Liebe spricht? Warum spricht sie von der Liebe, als wollte sie
sie nicht? Ich habe nichts gesagt, nichts gefragt, nichts vorgeschlagen. Clelia, warum läufst du weg, obwohl niemand dich
verfolgt? Wozu brauchst du Riegel, Fallen, Netze, Mauern, Vorhängeschlösser?
Ist es, weil du so bist wie ich?
Sie bleibt stehen und dreht sich zum Restaurant um. Ich weiß, dass sie mich ansieht. Ich kann es nicht sehen, sie ist zu weit
weg, aber ich fühle es. Als würde sie mich rufen, mit ihren quasi gelben Augen. Ich hätte gerne einen Vorwand, um zu ihr zu
gehen und sie zu umarmen. Ich habe keinen. Es gibt keinen.
Ich stehe auf und gehe zur Toilette. Ich stehe auf, um zu zahlen. Ich stehe auf.
Gehe auf sie zu.
Sie erwartet mich, als wäre sie ein in den Sand gepflockter Totempfahl. Ein Menhir. Sie ist ein Kreuz. Mein Kreuz.
Ich bin bei ihr. Sie sagt nichts. Sieht mich an. Ich schließe sie fest in die Arme. Wir sind Körper im Wind. Seelen.
Bereit für die nächste Welle.
E s war ein total spießiger Sonntag. Unser erster gemeinsamer Sonntag. Spaziergang. Schmusen. Mittagessen am Meer. Kino. Dann
ist Clelia zum Üben nach Hause gegangen. Ich bleibe hier und vertreibe mir die Zeit. Lese ein bisschen. Schaue ein bisschen
fern. Lege ein bisschen Musik auf:
Beautiful Freak
von den Eels.
Ich denke an sie.
Sie kommt mir so erschrocken vor. Nicht bereit für uns. Nicht bereit für eine Beziehung. Wir haben nie darüber gesprochen,
aber aus einer Reihe von Bemerkungen und flüchtigen Andeutungen könnte man meinen, wir wären beide lieber auf Distanz geblieben.
Und es ist, als ob sie das jedes Mal wieder neu bekräftigen muss.
»Ich will keine feste Beziehung. Ich habe nicht danach gesucht.«
Als wolle sie mich beschützen und uns beschützen. Ich spiele mit.
»Ich auch nicht …«
Aber vielleicht stimmt das gar nicht. Vielleicht würde ich gerne eine Bresche in diesen Wall schlagen, der meinem so ähnelt
oder vielmehr genau der gleiche ist.
Meinem Freund Luca habe ich die Wahrheit gesagt. Ich glaube wirklich, dass ich in diese schöne, starke und zugleich zerbrechliche
Frau verliebt bin. Jahrelang habe ich mir das nicht zugestanden, aber das Leben ist größer als wir. Jetzt bin ich hier und
denke an sie. Das hier ist so eine Sache, die dich zuerst sanft an der Hand nimmt, um dich dann brutal mit sich fortzureißen.
Ausweglos.
Das Festnetztelefon klingelt.
»Kommst du zum Essen zu mir?
»Ich bin schon hungrig …« Nach dir.
»Aber kochen musst du selbst.« Sie lacht.
Ich lächele glücklich.
E s ist das erste Mal, dass ich zu Clelia nach Hause gehe. Das fällt mir auf dem kurzen, mit Liebe asphaltierten Stück Weg auf,
das uns voneinander trennt.
Die Hände in den Taschen vergraben, pfeife ich
The Foundation
von Thievery Corporation vor mich hin. Man kann diesen Song nicht pfeifen, aber ich versuche es trotzdem.
Während ich die paar Schritte zurücklege, denke ich an den Regen, an ihren Regenmantel. An ihre Augen.
Das Leben ist komisch. Ich laufe, als wäre ich Lawrence von Arabien auf dem Weg nach Akaba. Siegreich.
Ich war noch nie in ihrer Wohnung, weil sie mich nie eingeladen hat …
War mir noch gar nicht aufgefallen.
Ihre Wohnung ist so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Ein kleines Penthouse oben auf dem Palazzo, wo sich früher das Waschhaus
befand. Ein Wohnzimmer mit offener Küche, Schlafzimmer und Bad. Etwa sechzig Quadratmeter Innenraum und eine schöne, noch
einmal so große Terrasse ohne erwähnenswerte Aussicht, doch Terrassen in Rom zählen doppelt, weil man sie sechs Monate im
Jahr nutzen kann. Die Wohnung ist dezent und geschmackvoll eingerichtet. Man sieht, dass sie viel gereist ist. Es ist eine
internationale Wohnung, und sie stinkt nicht nach nassem Hund.
Eine wirklich bemerkenswerte CD-Sammlung. Viele Bücher, etliche davon über Musik. Ein paar Bilder mit zeitgenössischer Kunst,
Fotos hier und da. Darunter einige Bilder von ihr mit anderen Orchestermusikern. Es istlustig, sie in langen oder zumindest äußerst eleganten Kleidern zu sehen, wie bei einer Gala.
Ich ziehe sie damit auf.
»Warum trägst du so was nie, wenn du mit mir ausgehst?«
Lächelnd kommt sie näher, antwortet nicht. Mit einem verschmitzten Lächeln reicht sie mir ein Glas Wein.
Dann sehe ich meinen Rivalen: das Cello. Ihr Cello.
Sie
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