Komm mit mir nach Kreta
erklärte das seine vernichtende Ablehnung in ihrem Haus in Sydney. Einer Frau gegenüberzustehen, die seiner geliebten Fotini ähnlich sah, musste ein furchtbarer Schock für ihn gewesen sein.
„Ist schon gut“, log Sophie. Sie erreichte die Treppenstufe, auf der er wartete. „Sehe ich Fotini denn wirklich so ähnlich?“
Costas zuckte zusammen, seine Augen schienen noch dunkler zu werden. Vielleicht hätte sie seine Trauer um Fotini respektieren und nicht danach fragen sollen. Aber Sophie wollte Bescheid wissen.
„Nein“, erwiderte er schroff. „Auf den ersten Blick ist eine oberflächliche Ähnlichkeit vorhanden, doch die Unterschiede sind viel größer.“
Sophie hätte beruhigt sein sollen, dass sie nicht das Ebenbild ihrer Cousine war. Aber zu ihrem eigenen Erstaunen war sie es nicht. Warum nicht? Was wollte sie eigentlich? Dass Costas sie anblickte und seine Ehefrau in ihr sah? Dass er auf sie reagierte, wie er auf Fotini reagiert hatte? Als wäre sie die Frau, die er liebte? Nein! Natürlich nicht. „Ich hätte nicht gedacht, dass sich Eleni noch so gut an ihre Mutter erinnert. Andererseits verstehe ich nicht viel von kleinen Kindern. Wenn es ein Jahr her ist, dass …“
„Zehn Monate“, sagte Costas, gerade als sie das obere Ende der Treppe erreichten. „Seit dem Unfall sind fast zehn Monate vergangen.“
Sophie hörte die aufgestauten heftigen Gefühle aus seiner Stimme heraus und hätte sich die Zunge abbeißen können. Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken und …
Und was, Sophie? Ihn trösten?
Wie kam sie dazu, die Trauer eines anderen Menschen lindern zu wollen? Sie konnte ja kaum mit ihrer eigenen umgehen. Wie mochte es wohl sein, wenn man den Menschen verliert, mit dem gemeinsam man doch durch das ganze Leben gehen wollte?
„Eleni hat ein Foto von ihrer Mutter in ihrem Zimmer“, erklärte Costas. „Ich habe es nach Fotinis Tod dort hingestellt. Es schien Eleni zu helfen, wenn sie ihre Mutter vermisst hat. Du kannst es dir gerne ansehen.“ Er zeigte auf eine Tür. „Das ist deine Suite. Der Koffer ist schon ausgepackt worden. Ich lasse dich jetzt allein, damit du dich ausruhen und einleben kannst.“
In starrer Haltung ging er davon. Starr vor Missfallen oder vor Qual?
Sophie fragte sich, warum ihr so viel an ihm lag. Warum sie ihm am liebsten nachlaufen und trösten wollte.
Wie gut, dass sie dafür zu vernünftig war.
An den Abend konnte sich Sophie später nur noch verschwommen erinnern, was wohl auf den Jetlag und ihre Erschöpfung zurückzuführen war. Sie hatte geduscht, sich umgezogen und die Mahlzeit gegessen, die ihr von einem Hausmädchen auf einem Tablett in ihre Suite gebracht worden war.
Ein Hausmädchen, natürlich! Sophie musste lachen. Wie dumm von ihr zu glauben, mit Costas hier allein zu sein. Natürlich gab es auf einem Anwesen dieser Größe auch Angestellte, die hier wohnten.
Allein diese Suite war fast so geräumig wie ihr ganzes Haus in Sydney. Und das Bad! Mit dem schimmernden Marmor und den großen Spiegeln an den Wänden war es der Albtraum einer Putzfrau.
Sophie zog ihren alten Bademantel an und ging zu den Glastüren. Bevor sie schlafen ging, wollte sie noch einen Moment lang die herrliche Aussicht genießen. Sie trat nach draußen auf den Balkon. Die Dunkelheit wurde von einem silbrigen Halbmond und funkelnden Sternen erhellt, und es war so still, dass Sophie das leise Rauschen der Wellen in der Bucht hören konnte. Sie atmete die frische salzige Meeresluft ein und nahm die ungewohnten Gerüche tief in sich auf: Es duftete nach Oregano, Thymian und Rosmarin.
Sophie ging den Balkon entlang, der das ganze obere Stockwerk umgab. Plötzlich löste sich ein dunkler Schatten von der Wand und trat auf sie zu.
„Kannst du nicht schlafen, Sophie?“
Im leichten Abendwind nahm er Sophies Duft wahr. Costas grub die Hände tiefer in seine Hosentaschen und ballte sie vor Anspannung zu Fäusten. Er war nach draußen gekommen, um nachzudenken, um sich zu sammeln für einen weiteren Tag voller verzweifelter Hoffnungen und unbeschreiblicher Ängste und hatte gerade begonnen, Trost und Ruhe aus der stillen Dunkelheit zu schöpfen.
Dann bemerkte er Sophie, und sie bedrohte erneut seine Selbstbeherrschung. Es war qualvoll für ihn, dieser Verlo ckung so nahe zu sein, ohne nach ihr greifen zu dürfen. Costas sehnte sich nach der betäubenden Ekstase, die er bei Sophie finden würde. Er wollte sie nehmen, sie festhalten und zähmen. Doch er musste sich um
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