Komm mit mir nach Kreta
jeden Preis beherrschen. Sie war aus vielen Gründen absolut tabu. Nicht nur, weil sie sein Gast war. Er hatte die Pflicht, sie zu beschützen, auch vor ihm selbst.
„Ich wollte nur frische Luft schnappen“, erklärte sie.
Er hörte das Zittern in ihrer Stimme und wusste, dass sie die erotische Spannung zwischen ihnen auch spürte. Sophie drehte sich zur Seite, als wollte sie zurückgehen. Auf ihre üppigen Brüste fiel das Mondlicht. Sie wirkten unendlich verführerisch, sinnlich und zum Greifen nahe. Costas fühlte sein Begehren wie einen Schmerz. Mit zusammengebissenen Zähnen sog er scharf den Atem ein. Sophie wandte sich ihm wieder zu. Einen Moment lang standen sie einander schweigend gegenüber, dann zwang sich Costas, etwas zu sagen. „Geh nicht meinetwegen. Ich wollte sowieso gerade wieder hinein.“ Er spürte ihren Blick wie eine heiße Berührung, die seine Haut erregte.
„Nein! Bleib hier. Ich hatte nicht vor, in deine Privatsphäre einzudringen.“
Sophies Stimme klang atemlos, gequält. Die Warnung seiner Mutter fiel ihm wieder ein: „Du darfst sie nicht verletzen, Costas. Behandle sie gut.“ Natürlich war er nicht so leichtsinnig, der Versuchung nachzugeben und die Grenze zu überschreiten, die sie beide trennte. Das würde zu einer Katastrophe führen. Für sie und ihn.
„Schon gut, Sophie. Ich wollte sowieso nach Eleni sehen.“ Costas ging an Sophie vorbei, seinen Blick hielt er fest auf die Tür zum Zimmer seiner Tochter gerichtet. „Genieße die Stille und die Luft noch eine Weile. Und dann schlaf dich richtig aus. Wir haben morgen viel vor!“
Ja genau, darauf musste er sich konzentrieren. Auf den Test, auf Elenis Behandlung, das lange Gespräch, das er am nächsten Tag mit dem Arzt führen würde. Nicht auf Sophies geschmeidigen Körper, warm und einladend, nur wenige Schritte von ihm entfernt.
„Gute Nacht“, flüsterte sie.
Ihre leise Stimme brachte seinen Entschluss für einen Moment ins Wanken. Doch dann zog er die Schultern hoch und ging weiter.
6. KAPITEL
Am nächsten Morgen wachte Sophie erst spät auf. Sie hatte unruhig geschlafen und konnte sich an die Träume, die sie nachts gequält hatten, nicht mehr erinnern. Dennoch war sie sich sicher, dass ein gut aussehender Mann mit faszinierenden dunklen Augen in ihnen vorgekommen war.
Beim Frühstück erfuhr Sophie, dass Costas gerade bei Elenis Arzt war, um mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen. Offenbar wurde sie noch nicht gebraucht, also nutzte Sophie die Zeit, um das Grundstück zu erkunden.
Durch eine Glastür trat sie aus dem Frühstückssalon ins Freie. Auf dieser Seite des Hauses war eine breite, mit Steinplatten geflieste Terrasse, an die sich ein gepflegter Rasen anschloss. Sophie spürte die warme Sonne auf dem Gesicht, hörte das ungewohnte Zirpen der Grillen und, in der Ferne, Hundegebell. Es duftete nach Pinien und Oleander. Der Rasen war von leuchtenden Blumen gesäumt, und die Obstbäume standen in voller Blüte. Sophie konnte das Meer riechen und den sanften Rhythmus der an den Strand rollenden Wellen hören. Sie schloss die Augen und nahm alles begierig in sich auf. Die Wärme, die Geräusche und die Gerüche. Für einen Moment rückte das, was ihr Leben ausmachte, in weite Ferne: ihr Zuhause in Sydney, der Schmerz über den Verlust ihrer Mutter, die kleinen Sorgen und Nöte des Alltags. ‚Wie schön es hier ist‘, dachte sie und genoss für kurze Zeit das Gefühl von Ruhe und Entspannung, das sie überkam.
Sophie öffnete die Augen erst wieder, als sie ein helles Lachen hörte: Eleni fuhr mit einem orangefarbenen Dreirad auf einem Weg am Ende des Gartens. Sie war noch ungeschickt mit dem Lenker, und eine junge Frau half ihr immer wieder, das Dreirad in die richtige Richtung zu bringen.
Bei ihrem Anblick beschlich Sophie ein schlechtes Gewissen. Warum durfte sie selbst stark und gesund sein, während ein kleines Kind um sein Überleben kämpfte? Schon jetzt plagten sie Schuldgefühle bei dem Gedanken, dass sie als Spenderin womöglich nicht geeignet sein könnte. Sophie wollte sich umdrehen und ins Haus zurückkehren. Sie wollte Eleni nicht begegnen. Aber es war zu spät. Das Mädchen hatte sie bereits entdeckt, setzte seine Füße von den Pedalen auf den Boden und schaute sie neugierig an.
„Kalimera.“ Guten Tag .
„Kalimera, Eleni. “
Die Augen des Mädchens leuchteten auf, und es fing an, in schnellem Griechisch auf Sophie einzureden.
„Siga, parakalo“ , sagte sie lächelnd.
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