Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
Gut gemacht. Sie kann ihn nicht hören, aber sie liest ihm von den Lippen ab.
Er hilft zwei Jungs, deren Kajak umgekippt ist, zieht sie aus dem Wasser, richtet das Boot wieder auf und zieht es ans Ufer. Er kniet sich hin; sie kann sehen, dass er versucht, die Kinder zu einem zweiten Versuch zu animieren. Sie schütteln den Kopf, der kleinere Junge weint. Doch irgendwie schafft er es, sie wieder ins Boot zu locken, er hält das Kajak fest und reicht ihnen die Paddel, und dann sind sie weg.
Er schiebt ein Kajak mit zwei Mädchen an Land, reicht ihnen die Hand und hilft ihnen beim Aussteigen. Er hält ihre Hände keinen Augenblick länger als nötig fest, legt ihnen seine Hand nicht auf die Schulter oder an den Arm. Sie blicken zu ihm auf; Stephanie kann sehen, dass sie ihm vertrauen.
Er stellt sich zu den Müttern, die am Anleger warten. Sie mögen ihn, das sieht Stephanie an ihrer Art, ihn anzulächeln. Er zeigt auf den See hinaus, und sie nicken.
Plötzlich kommen einzelne Regentropfen herunter und klatschen Stephanie mit Wucht ins Gesicht. Er legt eine Hand an den Mund und ruft etwas. Die anderen Lehrerinnen machen sich daran, die Kinder aus dem Wasser zu holen. Die Eltern nehmen sie in Empfang, wickeln sie in Badetücher ein, laufen zu den Autos. Es fängt an zu gießen.
Bald sind alle Eltern und alle Kinder verschwunden. Ein kleines Mädchen bleibt allein zurück. Er geht hin, kniet nieder. Die Kleine weint. Weit und breit ist niemand zu sehen. Die anderen Lehrerinnen haben sich schon entfernt, kehren ihm den Rücken zu.
Weit und breit niemand zu sehen. Er fasst das Mädchen bei der Hand und versucht, es mit sich zu ziehen.
Ist es so passiert? Gemma war allein. Hat er sie gefunden und an der Hand genommen?
Und jetzt passiert es wieder, vor ihren Augen. Stephanies Herz klopft laut und langsam, sie bekommt keine Luft mehr, sie ist vor Angst wie gelähmt und zwingt sich, einen Schritt nach vorn zu machen und den Mund aufzureißen, schon fühlt sie die Worte in ihrer Kehle, rauh und heiser, und …
Und er bleibt stehen. Er hält das Mädchen bei der Hand und ruft Stellas Mum ist nicht hier.
Eine junge Lehrerin dreht sich um und kommt zurückgejoggt. Sie beugt sich hinunter, tätschelt die Wange des Mädchens, zieht ihren Parka aus und legt ihn dem Kind um die Schultern, nimmt es bei der Hand und geht mit ihm zur Straße. Sie bleiben stehen, die Lehrerin spricht in ihr Handy, ohne das Kind loszulassen. Er ist wieder unten am Ufer und zieht die Kajaks aus dem Wasser, um sie auf einen Anhänger zu laden.
Was soll sie tun? Soll sie zu ihm gehen und ihn ansprechen? Was soll sie sagen? Der Regen hat so plötzlich wieder aufgehört, wie er gekommen ist, aber sie ist nass bis auf die Haut, das Wasser läuft ihr aus dem Haar übers Gesicht, ihre Shorts und ihr T-Shirt sind durchweicht. Sie zögert, macht dann kehrt und läuft zur Straße. Wenn sie ihn anspricht, sollte sie in besserer Verfassung sein.
Sie hört ein Auto hinter sich. Der Geländewagen mit dem Anhänger rollt dicht an ihr vorbei, hinterlässt tiefe Spuren im Gras. Sie wagt einen Blick, er hebt den Kopf und entdeckt sie ihm Rückspiegel, bringt das Auto langsam zum Stehen. Er steigt aus und kommt breit grinsend und mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Stephanie? Du bist doch Stephanie, nicht wahr? Stephanie Anderson?«
Sie weicht zurück, als seine Hand nach ihrer greift.
Seine Hände.
»Neulich habe ich Dave getroffen. Er hat mir alles von dir erzählt. Schön zu hören, dass es so gut läuft. Man freut sich immer, wenn aus den Lieblinsgschülern was Ordentliches geworden ist.«
Sie bringt keine Antwort heraus, schnappt nach Luft.
»Was machst du in Wanaka?«
Los, Stephanie, streng dich ein bisschen an.
Sie schluckt und zwingt sich zu einem Lächeln. »Ein Zufall, meinem Lehrer über den Weg zu laufen. Was für eine Überraschung, Mr. Black.«
Er tritt einen Schritt zurück, mustert sie beifällig. Sie ist klatschnass, die Klamotten kleben ihr am Leib, verdammt.
»Für dich immer noch Ed. Du bist völlig durchnässt, dir muss eiskalt sein. Komm, ich bringe dich nach Hause.«
Ihre Stimme klingt viel zu laut. »Nein danke, ich gehe lieber zu Fuß.«
Aber er hat schon ihren Arm genommen und zieht sie zum Auto. »Es kann jeden Moment wieder zu schütten anfangen. Ich kann nicht zulassen, dass du bei dem Wetter herumläufst.«
Plötzlich sitzt sie in seinem Auto. Sie zittert vor Kälte und vor Angst, wie unter Schock. Er sieht genauso aus,
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