Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
ihn sich ans Herz.
Schlendere munter und gut gelaunt in die Küche. Nimm das Glas Wein, das Dave dir anbietet. Plaudere mit Greg über seine Ferienpläne. Lobe Esthers Brathuhn. Schau fern. Und flüchte, sobald es möglich ist, nach oben in dein Zimmer und schließe die Tür hinter dir.
Denn jetzt hat sie Gewissheit, absolute Gewissheit. Sie ist die Einzige, die die Wahrheit kennt, und sie ist ratlos.
Sie sitzt auf dem Bett, und ihr wird schwindlig vor Kummer und vor Wut.
Was soll sie tun? Mit Dave reden? Das Beweisstück zur Polizei bringen? Ihrer Familie das langatmige Verfahren zumuten, den ganzen Horror? Die Spekulationen, das Gerede, die Erinnerungen, die Schmerzen?
Und Beth und Andy sollen dasselbe erleiden? Und welche Beweise kann sie vorbringen? Es gibt nur Verdachtsmomente und Theorien. Das wird nicht ausreichen. Er wird sich einen guten Anwalt nehmen und sich rausreden. Lebkuchen und eine Schmetterlingshaarspange aus Plastik. Du liebe Güte, er wird lachend aus dem Gericht spazieren.
Ihr Handy klingelt. »Steph?«
Minna.
Stephanie will das Handy abschalten, aber dann zögert sie.
»Steph?«
Sie schweigt, denkt nach.
Und dann spricht sie mit heiserer, zitternder Stimme. »Ich brauche Hilfe.«
40.
S ie ist früher da als verabredet. Sie stellt ihren Wagen auf dem Parkplatz ab, schaut in den Busch hinauf. Der Tag ist trüb und bitterkalt, über dem Mount Aspiring brauen sich Wolken zusammen.
Der Tag ist gefährlich.
Sie lauscht auf seinen Geländewagen.
»Hi, ich bin’s, Stephanie.« Fröhlich, beschwingt.
»Ich dachte, du wärst schon weg?«
»Hab da noch ne Familienfeier am Hals. Manchmal muss man seinen alten Leuten den Gefallen eben tun, du kennst das ja.«
»Nein, ich nicht.«
Sie sieht das joviale, belustigte Schmunzeln vor sich, und ihr Magen krampft sich zusammen. »Nicht alle sind so frei wie du! Aber ich hatte da eine Idee.«
»Ja?«
»Na ja, ehrlich gesagt ist mir ein bisschen langweilig. Ich dachte, wenn du Zeit und Lust hast, könnten wir endlich den Jagdausflug machen?«
»Mit ein paar von den Kindern, meinst du?«
»Äh, ja, klar. Wenn du möchtest.«
»Ich besitze kein Gewehr.«
»Wir könnten uns das von Dave ausleihen.«
Er schweigt. Das Schweigen zieht sich in die Länge. Stephanie wartet. »Ich weiß nicht so recht. Kinder und Schusswaffen, das passt nicht zusammen. Hier steht Sicherheit an oberster Stelle, du weißt schon, alles andere wäre nicht politisch korrekt.«
»Oh, ich verstehe.«
»Andererseits wäre das mal eine ganz neue Erfahrung für die Kinder, meinst du nicht? Ein typisch neuseeländisches Erlebnis, außerdem würden wir höchstwahrscheinlich sowieso kein Tier vor die Flinte kriegen.«
»Wenn wir überhaupt eins sehen.« Sie versucht es mit einem unbeschwerten, kecken Lachen.
»Wo wolltest du denn hin?«
»Auf den Mount Matukituki.«
»Ich werde mit den Kindern reden, ich habe da zwei Schüler im Sinn. Mehr würde ich ohnehin nicht mitnehmen wollen. Wir sollten ein so geringes Risiko wie möglich eingehen. Alles ganz harmlos, was?«
»Klar.«
»Und falls niemand mitwill, komme ich allein. An welchen Tag hattest du gedacht?«
»Ich kann jederzeit.«
»Ich dachte, du müsstest zu einer Familienfeier?«
»Das ist abends. Ein Abendessen.«
»Ich habe am Freitag Zeit. Wie viel Uhr?«
»Wir sollten früh losgehen. Es ist ja ein ganzes Stück zu laufen.«
»Um sieben? Auf dem Parkplatz?«
»Okay.«
»Bis dann. Ich freue mich schon.«
Es ist Viertel vor sieben. Sie hört ein Auto, steigt aus und holt ihren Rucksack und das Gewehr aus dem Kofferraum.
Er ist allein. Er steigt aus, bläst sich auf die Finger, reibt sich die Hände. »Ganz schön kalt. Kein schöner Tag. Das Wetter ist durchwachsen, was?«
»Keine Schüler?«
»Die haben in letzter Minute abgesagt. Hatten Angst, sich zu erkälten. Ich glaube, die hatten nur keine Lust, so früh aufzustehen.«
Stephanie ist zufrieden. Die Schüler hätten möglicherweise ein Problem dargestellt. Oder eine Hilfe? Wie dem auch sei, jetzt braucht sie nicht mehr darüber nachzudenken. »Das Wetter wird bestimmt besser. Ich habe heute Morgen Radio gehört. Die meinten, am Nachmittag klart es auf.«
»Na hoffentlich. Dann geht es jetzt los, oder?«
»Im Rucksack habe ich Regenkleidung, etwas zu essen, eine Thermoskanne und Wasser. Hast du irgendwas dabei?«
Er zuckt grinsend die Achseln. »Nur mich. Ich werde mich ganz auf dich verlassen müssen, was das Überleben angeht. Was hast du
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