Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
und heimlich auf die Straße.
Während Minna die Geschenke eingepackt und im Kofferraum verstaut hat, weinte sie pausenlos. Stephanie wollte sie anschreien und es ihr verbieten, am liebsten wollte sie alles verbieten und Weihnachten gleich dazu. Denn wenn Gemma nicht dabei war, um ihre Geschenke zu öffnen, feierlich an Schleifen und Klebstreifen zu zupfen, jede einzelne Schicht Geschenkpapier so langsam und vorsichtig beiseitezuziehen, dass man beinahe gequiekt hätte, weil man nicht erwarten konnte, ihr Gesicht zu sehen. Wenn Gemma nicht dabei war, um im Lammbraten herumzustochern und die Pavlova zu verschlingen. Wenn sie nicht dabei und ein bisschen überdreht war, weil sie zu viel Limonade getrunken hatte … dann war alles falsch. Weihnachten war falsch und sollte ausfallen.
Sie nehmen die Jungs mit nach Hause zurück, und Oma fährt wieder nach Wanganui. Die Tage verstreichen, einer nach dem anderen. Das Telefon klingelt nur noch selten. Aber eines Tages klingelt es doch, kurz vor dem Mittagessen, als Stephanie und Minna allein sind. Dave ist bei der Arbeit, die Jungs springen hinter dem Haus Trampolin ihr bleibt im Garten, habt ihr verstanden? Ihr bleibt, wo ich euch sehen kann.
Stephanie beobachtet, wie Minna den Hörer abhebt und ihn sich zaghaft ans Ohr hält. Sie steht reglos da, lauscht. Dann flüstert sie etwas, mit Nachdruck ruf mich nie wieder an. Beim Auflegen wirft sie Stephanie einen flüchtigen Blick zu.
»War das … Geht es um Gemma?«
»Nein. Es war unwichtig.«
»Wer war dran?«
»Niemand.«
»Aber …«
Minna sieht blass und genervt aus.
»Da hat sich jemand verwählt, okay?«
Mr. Peters kommt vorbei. Es ist früh am Abend und immer noch drückend heiß, aber er trägt einen Anzug. Er steht vor der Tür und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er möchte Minna sprechen und auch Dave, falls der zu Hause ist.
Stephanie geht in die Küche und stellt sich hinter den Tresen. Sie kann ihn hören, und wenn sie will, kann sie ihn auch sehen, aber er sie nicht. Er sitzt im Wohnzimmer, gegenüber von Minna. Sie hat ihm einen Tee serviert, er führt die Tasse an seine gespitzten Lippen und saugt den Tee ein wie durch einen Strohhalm, so als sei die Tasse zu klein und zu zerbrechlich, um direkt daraus zu trinken. Er stellt sie auf den Couchtisch zurück, rutscht unruhig hin und her. Sein Hals über dem Hemd ist dunkelrot, so als sei ihm der Kragen zu eng.
»Schade, dass ich Dave verpasst habe. Ich hatte gehofft, ihn anzutreffen.«
Minna zuckt die Achseln. »Du kennst ihn doch.«
»Tja. Ähm, ich bin in meiner Funktion als Ratssprecher gekommen, ich spreche sozusagen für den Gemeinderat.«
Minna schweigt.
»Was wir … nun ja, was der Gemeinderat am dringlichsten möchte, ist dir und Dave unser tiefstes Mitgefühl … So eine schreckliche … was für eine schreckliche Sache.«
Minnas Gesicht ist regungslos. Sie greift zur Teetasse, trinkt, stellt die Tasse zurück auf die Untertasse.
»Was wir möchten. Der Gemeinderat möchte etwas für eure Familie tun. Wir haben uns überlegt, euch zu fragen, also, Dave und dich, ob wir für Gemma einen Gedenkgottesdienst veranstalten sollen.«
»Einen Gedenkgottesdienst? «
»Es wäre … Wir könnten ihn ganz nach euren Vorstellungen gestalten. Wir dachten, das könnte der Gemeinde die Möglichkeit geben, ihrem, äh, Kummer Ausdruck zu verleihen. Und abzuschließen, Minna.«
»Abzuschließen?«
»Der Gemeinderat denkt, dass wir so vielleicht irgendwie darüber hinwegkommen. Ihr als Familie. Und die Gemeinde.«
»Abzuschließen?«
»Ja.« Seine Hand wandert an den Kragen, zerrt daran.
»Ich will nichts abschließen. Ich will mein Kind zurück.«
»Aber … Ich will ja nicht gefühllos klingen, aber wäre es nicht … wäre es nicht langsam an der Zeit, äh, Gemma loszulassen, Minna?«
»Ich soll abschließen, verdammt? Du hast doch keine Ahnung, Bob Peters! Du hattest noch nie eine Ahnung! Raus. Verschwinde von hier und lass uns in Ruhe.«
Stephanie geht wieder zur Schule. Während der Ferien hatte sie keinen Kontakt zu ihren Mitschülern. Mary-Anne hat immer wieder angerufen, Jenny und Sonya wollten sie besuchen, aber sie konnte mit niemandem reden. Nun fragt sie sich, wie die anderen über sie denken, ob sie überhaupt noch mit ihr befreundet sein wollen wieso will sie uns nicht sehen, wieso gibt sie sich keinen Ruck? Aber ihre Freundinnen umringen sie, schirmen sie von den neugierigen Blicken der anderen Kinder ab,
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