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Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)

Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)

Titel: Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paddy Richardson
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bauen sich zu einem undurchdringlichen Schutzwall auf. Beantwortet sie im Unterricht eine Frage, belohnen die Lehrer sie mit einem extrafreundlichen Lächeln. Niemand fragt nach Gemma.
    Sie geht mit Mary-Anne aus, zum ersten Mal, seit es passiert ist. Im Gemeindezentrum wird Macbeth aufgeführt. Von einer Schauspieltruppe, die durchs Land zieht. Ms. Evans sagt, sie habe gehört, die Schauspieler seien phantastisch, und ist es nicht ein wunderbarer Zufall, dass Macbeth später im Schuljahr auf dem Lehrplan steht? Sie besorgt Karten für die Vorstellung am Sonntagnachmittag.
    Stephanie sitzt zwischen Mary-Anne und Sonya. Die Leute gaffen sie an. Sie gaffen und verdrehen die Köpfe und schielen herüber, wenn sie meinen, dass Stephanie es nicht merkt. Was erwarten sie denn? Was stellen sie sich vor? Dass sie anders aussieht? Sich seltsam benimmt? Zu weinen anfängt?
    Als die Schauspieler auf die Bühne kommen und alle nach vorne starren, wird es besser, trotzdem fühlt Stephanie sich allem seltsam entfremdet; sie kann sich nicht konzentrieren, es ist, als flögen die Worte durch die Luft, um wie Seifenblasen zu zerplatzen, noch bevor Stephanie sie packen, sie begreifen kann. Aber als Lady Macbeth davon spricht, den Schädel ihres Kindes zu zertrümmern, ist Stephanie von den Worten überwältigt, schnappt nach Luft, zuckt zusammen. Sie spürt Mary-Annes Blick. Sonya dreht den Kopf, um Mary-Anne fragend anzusehen. Danach reißt Stephanie sich zusammen, hält die Augen starr auf die Bühne gerichtet, sitzt es aus.
    In der Pause geht sie schnurstracks zur Damentoilette und schließt sich in einer der Kabinen ein. Sie setzt sich auf den Klodeckel, lehnt den Kopf an den Spülkasten und spürt die Kälte, schließt die Augen. Sie hört die Türen auf- und zugehen. Hört Toilettenspülungen, quietschende Wasserhähne, summende Händetrockner. Es läutet. Zeit, zurückzugehen. Sie hört das Klackern der Absätze auf dem Fliesenboden.
    »Wie findest du es?«
    »Ist nicht so mein Ding. Aber ich dachte, ich komme trotzdem, immerhin hat sich der Kulturkreis große Mühe gemacht, das Gastspiel zu organisieren.«
    »Schön, dass Stephanie Anderson auch da ist.«
    »Die Ärmste. Schreckliche Geschichte.«
    »Eigentlich darf man so was ja nicht sagen, aber ich konnte Minna Anderson noch nie leiden.«
    »Da bist du sicher nicht die Einzige. Ich bin mit ihr zur Schule gegangen. Bei ihr hatte man immer schon das Gefühl, sie hält sich für was Besseres.«
    »Aber so was würde man niemandem wünschen.«
    »Hoffentlich wird die Leiche bald gefunden, dann hat die Familie endlich Gewissheit.«
    Stephanie sitzt stocksteif da und traut sich kaum zu atmen, auch lange nachdem die Türen zugefallen und die Stimmen verstummt sind. Zitternd kauert sie auf der Toilette.
    Sie öffnet die Kabinentür und späht hinaus, huscht über den Fliesenboden, stößt die zweite Tür auf. Sie schleicht durch den Flur, hört Macbeths Stimme dröhnen auf mein Haupt setzten sie eine unfruchtbare Krone und gaben mir einen dürren Zepter in meine Hand.
    Sie flieht in den Tag hinaus, der so sonnig ist wie immer, und beginnt zu rennen. Zum See, über die Wiese, über die Steine, sie rennt, rennt, rennt, bis ihr Atem nur noch ein abgehacktes Keuchen ist, bis ihre Muskeln brennen und sie nichts mehr fühlt und denkt.
    Wo bist du wo bist du wo bist du?
    Morgens kurz nach dem Aufwachen ist noch alles in Ordnung, alles ist in Ordnung, bis ihr einfällt, dass etwas passiert ist, etwas so Schreckliches, dass es nie wieder gut werden wird. Am besten ist es nachts, denn nachts ist Gemma noch da, ihr warmer, kleiner Körper ist dicht an sie geschmiegt, sie atmet im Dunkeln und hat ihre Ärmchen fest um Stephanies Bauch geschlungen. Aber am Tag kann Stephanie nichts tun, als an sie zu denken, wie sie ihre Höhlen gebaut und an Stephanies Ärmel gezogen hat, komm gucken, komm gucken! Daran, dass Gemma eine Vorliebe für ausgefallene Lebensmittel hatte, für Oliven, Anchovis, und dass sie am liebsten auf Stephanies Schultern saß. Stephanies Arme brennen vor Schmerz, so sehr sehnt sie sich nach Gemma. Gemmas Kinderzimmer ist unverändert, Spielzeug, Kleider, Schuhe, alles gleich. Legt man sich aufs Bett, kann man sie riechen.
    Du kannst nicht fort sein. Das kann nicht sein.
    Stephanie ist davon überzeugt, dass irgendjemand die verirrte Gemma gefunden hat. Ein netter, lieber Mensch, der sie mit nach Auckland genommen hat, oder nach Amerika. Er hat sie mitgenommen, weil er

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