Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
hebt den Kopf, ihr Blick ist misstrauisch.
»Ich bin Dr. Anderson. Sie können mich Stephanie nennen, okay?«
Immer noch dieser Blick. Stephanie betrachtet die Aufzeichnungen am Fußende des Betts. »Wie ich sehe, schlafen Sie gut, und Ihr Blutdruck ist gesunken. Das ist schön, Sie machen sich.«
Sie hat gelernt, mit dieser Stimme zu sprechen. Beruhigend, tröstlich. »Elisabeth? Können Sie mir sagen, wie es Ihnen geht?«
Auch den Gesichtsausdruck hat sie sich beigebracht. Diese Gelassenheit hat sie lange vor dem Spiegel geübt. Sie wartet, schaut auf die Patientin hinunter.
»Wann immer Sie reden möchten«, sagt Stephanie, »brauchen Sie nur nach mir zu fragen, nach Stephanie, okay?«
Elisabeth schließt die Augen und dreht sich zur Wand.
»Ich weiß, das ist nicht einfach für Sie, aber wenn Sie so weit sind, möchten wir Ihnen gern helfen. Möchte ich Ihnen gern helfen.«
Stephanie schließt die Tür, geht in ihr Büro zurück, hört den Anrufbeantworter ab, liest ihre E-Mails. Keine Nachricht von Mark. Seit über einer Woche nicht. Das Wochenende ist verstrichen, ohne dass er angerufen oder sie besucht hätte. Tja, was hat sie auch erwartet?
Am Samstag hatte sie Wanda angerufen. Das Filmfestival lief, und sie entschieden sich für einen italienischen Film, der gute Kritiken bekommen hatte. Danach waren sie bei einem neuen Inder gewesen. So etwas kann sie sich leisten, jetzt, da sie arbeitet, sie kann essen gehen und ins Kino. Auch das ist eine der Freuden des Single-Daseins. Man kann eine Freundin anrufen und sich für irgendwas verabreden. Keine Forderungen, keine Erwartungen.
Der Film gefiel ihr weniger gut als erwartet; aus irgendeinem Grund war sie nicht ganz bei der Sache. Er war synchronisiert, und die gesprochenen Worte hatten nicht ganz zu den Lippenbewegungen der Schauspieler gepasst, was sie ablenkte und einen unfreiwillig komischen Effekt hatte. Außerdem war sie nicht in der Stimmung für einen düsteren und kopflastigen Film, nicht nach einer so anstrengenden Arbeitswoche.
Auch das Essen war nicht besonders gut. Zu wenig Chili, zu viel Sahne. Am Ende hatte sie den Teller von sich geschoben.
Wanda warf ihr einen Blick zu. »Du bist so still.«
»Tut mir leid. Heute bin ich wohl keine so tolle Gesellschaft.«
»Schlimme Woche?«
»Nicht schlimmer als sonst.« Sie grinste. »Vielleicht bin ich urlaubsreif? Nicht, dass ich mir das in absehbarer Zeit erlauben könnte.«
»Wann bist du zum letzten Mal verreist? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du dir, seit ich dich kenne, mal Urlaub genommen hättest.«
»Weihnachten hatte ich eine Woche frei.«
»Klar, und was hast du gemacht? Hast dich in deiner Wohnung vergraben und gearbeitet.«
»Seit ich täglich in der Klinik arbeite, komme ich kaum noch zum Recherchieren. Wenn ich freihabe, kann ich mich endlich darauf konzentrieren.«
Wandas Gesicht war ernst, ihr Blick standhaft. Ausnahmsweise lachte sie nicht. »Wie wäre es, wenn du dich mal auf dich konzentrieren würdest? Du bist ohne Pause von einem in den anderen Job gewechselt. Du hast dir dazwischen keinen einzigen Tag freigenommen. Wenn du nicht aufpasst, kriegst du ein Burn-out.«
»Das stecke ich locker weg«, sagte Stephanie, »mir geht es gut.«
»Ich meine es ernst. Ich sage das auch, weil du nicht wirklich gut aussiehst.«
»Ehrlich, mir geht es gut. Mir fehlt nur ein bisschen Schlaf. Bald nehme ich mir ein paar Tage frei. Wanda, hör mal, das ist jetzt vertraulich. Ich brauche deinen Rat, es geht um eine Patientin, die vor ein paar Tagen aus dem Städtischen verlegt wurde. Ich bekomme nichts aus ihr raus. Elisabeth Clark. Hattest du mit ihr zu tun?«
»Ja, an die kann ich mich erinnern. Nur allzu gut, um ehrlich zu sein. Sie hat mich mit einem Teller beworfen.«
Stephanie beugte sich vor. »Was ist passiert?«
»Sie wollte keinen Besuch. Ihr Vater und ihr Mann haben immer wieder angerufen, und eines Tages sind sie plötzlich auf der Station aufgetaucht. Ich weiß nicht genau, wie es dazu kam, ob sie in den Besuch eingewilligt hatte oder ob es gegen ihren Willen geschah, jedenfalls ist sie danach völlig durchgedreht. Hat mit allem um sich geschmissen, was sie nur in die Finger kriegen konnte, sogar mit dem Essen.«
»Hat sie je mit irgendjemandem geredet? Ist jemand zu ihr durchgedrungen?«
»Nein. Aber während sie um sich schlug, hat sie pausenlos geschrien. Das machte es noch viel unheimlicher, schließlich hatte sie bis zum dem Moment kaum ein Wort
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