Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
Entbindungszimmer mit Badewanne vorgeschlagen. Mary-Anne hat Babykleidung aus reiner Baumwolle angeschafft und Stoffwindeln, weil die die Umwelt schonen. In zwei Jahren werden sie anfangen, sich um ein zweites Kind zu bemühen, dieses wird ein Junge, das nächste hoffentlich ein Mädchen, aber eigentlich ist es ihr egal, Hauptsache gesund.
Wo ist die Mary-Anne, die sich für Jungs interessierte und laut lachte, ein herzliches Lachen, an das Stephanie sich noch gut erinnern kann? Wo ist Mary-Anne mit den dicken Knien und der Stachelfrisur? Die neue Mary-Anne ist rank und schlank, sieht man vom Babybauch ab. Die neue Mary-Anne geht täglich zum Yoga und hat einen Kurs für mediterranes Kochen belegt, ihr Leben wirkt organisiert und vorhersehbar. Sie ist sich ihrer Sache so sicher und ist derart eingespannt in die Verpflichtungen und Sorgen des Erwachsenenlebens, dass Stephanie sich neben ihr manchmal wie ein Teenager fühlt. Stephanie steht mit leeren Händen da, weil sie sich bewusst dagegen entschieden hat, Besitztümer und Partnerschaften anzusammeln, warum also ist sie jetzt unzufrieden?
Vielleicht sollte sie sich eine Wohnung in einer ruhigeren Lage suchen, außerhalb der Stadt. Sie könnte ein Strandcottage in Warrington oder Waikouaiti mieten, dann könnte sie sich nach der Arbeit über den Meerblick freuen. Oder sie könnte sich nach einer neuen Bleibe auf der Halbinsel umsehen: Macandrew Bay, Broad Bay, Portobello. Beim Aufwachen würde sie den Hafen sehen. Die Boote, das vom Wind aufgepeitschte Wasser, den wechselfarbigen Himmel und abends den Sonnenuntergang hinter den Hügeln. Wie würde es sich anfühlen, jeden Tag so viel Wasser zu sehen? An klaren, schönen Tagen ist das Wasser im Hafen so ruhig wie ein See. An manchen Stellen unergründlich tief. Glitzernd blau. Schön und trügerisch.
Sie könnte sich ein Haustier anschaffen. Hunde sind tolle Begleiter, bleiben aber leider nur ungern allein und machen mehr Arbeit als Katzen. Katzen sind unabhängiger. Eine Katze könnte sie den ganzen Tag allein lassen, sie könnte eine zweite anschaffen, die der ersten Gesellschaft leistet. Zwei Burmesen vielleicht, angeblich sind Burmesen sehr anhängliche Tiere.
Du liebe Güte, was ist aus ihr geworden? Eine alte Jungfer, die sich Rassekatzen hält? Sie sollte sich zusammenreißen. Sie sollte sich nicht mit Strandhäusern und Haustieren belasten. Ihr Leben ist gut so, wie es ist.
Aber sie ist schon einunddreißig. Sie hat zwei Freundinnen, ein paar Bücher, ein Bett, einen Schreibtisch, einen Esstisch, zwei Stühle, ein Sofa, ein Sofatischchen, Kleidung. Drei Brüder, die sie kaum noch sieht, einen Vater, den sie nie besucht. Kein echtes Zuhause, auch wenn sie manchmal davon träumt. Von seidigen Grasbüscheln, dem Duft von Thymian und Lavendel, einem Himmel so blau wie geraffte Seide. Sonnenstrahlen auf dem Wasser.
Einem kleinen Mädchen, das seine Arme ausstreckt, bevor es springt.
Obwohl du weißt, dass es falsch ist, den Schmerz zu verleugnen, obwohl du weißt, dass es ungesund ist, so viel zu arbeiten, hast du keinen Sinn für irgendetwas oder irgendjemand anderes. Du weißt, dass du den Trauerprozess nicht abkürzen kannst, und doch hast du alles darangesetzt, ihn zu ignorieren. Du hilfst anderen dabei, alte Verletzungen zu finden und aufzuarbeiten. Deinen Patienten verlangst du diese Mühen ab, dir selbst nicht.
Dir nicht.
Mach dich an die Arbeit. Es gibt noch einen Haufen Papierkram zu erledigen. Setz dich hin, fang endlich an. Es klopft an der Tür. Will Ryan steckt den Kopf herein.
»Haben Sie kurz Zeit?«
»Ja. Möchten Sie einen Kaffee? Ich habe gerade welchen gekocht.«
»Danke.« Er schenkt sich einen Becher ein und setzt sich. »Haben Sie sich die Protokolle von gestern Nacht schon angesehen?«
»Nein, noch nicht. Gab es irgendwelche Probleme?«
»Als ich heute Morgen reinkam, war Amy noch ganz erschüttert. Sie hatte Nachtdienst. Um Mitternacht lag Elisabeth Clark nicht in ihrem Bett, also hat Amy sich auf die Suche gemacht. Sie war im Waschraum und hat versucht, sich mit einem Brotmesser die Pulsadern zu öffnen.«
»Wo zum Teufel hat sie ein Brotmessen her?«
»Sie muss es irgendwie in die Küche geschafft haben. Ich weiß es nicht. Aber da war überall Blut, und als Amy ihr das Messer abgenommen hat, hat sie wie irre zu schreien angefangen. Die anderen Patienten sind aufgewacht, hier herrschte das reinste Chaos.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Im Bett. Wir haben sie sediert. Sie war in
Weitere Kostenlose Bücher