Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
gesprochen.«
»Hat sie einfach nur geschrien, oder hat sie Wörter benutzt?«
»Sie hat immer wieder geschrien, sie wolle tot sein, und warum man sie nicht endlich in Ruhe lasse. Sachen in der Art. Ich konnte kaum ein Wort verstehen, so sehr hat sie sich aufgeregt.«
»Und dann?«
»Wir haben sie festgebunden und medikamentös ruhiggestellt.«
»Und dann?«
»Wurde sie wieder still. Hat getan, was man ihr gesagt hat, und gegessen, was auf dem Tablett war. Sie hat viel geschlafen, aber nicht mehr gesprochen. Dann hat eine Krankenschwester sie dabei erwischt, wie sie sich aus Handtüchern aus dem Wäscheschrank einen Strick knüpfen wollte.«
»Ja, das habe ich gelesen.«
Wanda beobachtete sich neugierig, argwöhnisch. »Warum fragst du? So ungewöhnlich war ihr Verhalten nicht.«
»Ich weiß. Ich hatte mir bloß erhofft, dass die Behandlung irgendwann anschlagen würde. Wegen des Vorfalls lassen wir keine Besucher zu ihr. Wir versuchen, ihr das Gefühl von Sicherheit zu geben. Bettruhe und fürs Erste keine Stationskonferenzen, für die sie ja offensichtlich noch nicht bereit ist. Die Krankenschwestern versuchen immer wieder, mit ihr ins Gespräch zu kommen, und ich natürlich auch, aber es klappt nicht. Mittlerweile nimmt sie die Antidepressiva seit sechs Wochen, da sollten sich eigentlich erste Fortschritte zeigen.«
»Dosis erhöhen?«
»Vielleicht. Ich weiß nicht. Letzte Woche war ihr Vater zum Gespräch da, später auch der Ehemann. Sie können sich nicht erklären, wodurch das alles ausgelöst wurde. Ich habe nur verstanden, dass es die Familie wie aus heiterem Himmel getroffen hat.«
»Wie ist der Mann so?«
»Macht einen netten Eindruck, soweit ich das nach so kurzer Zeit beurteilen kann. Er sagte immer wieder: Ich dachte, sie hätte sich ein Baby gewünscht. Doch ich kann einfach nicht verstehen, dass es bis heute keinerlei Hinweise auf irgendwelche Auffälligkeiten gegeben haben soll, denn wenn man den Aussagen des Vaters und des Ehemannes glauben kann und den Angaben ihres Hausarztes, war sie bei guter Gesundheit, die Ehe stabil und die Schwangerschaft geplant. Und dann geht sie einfach so los, lässt das Kind abtreiben und versucht, sich umzubringen?«
»Gab es nicht einen Hinweis auf Depressionen in der Familie?«
»Ja, bei ihrer Mutter, aber das war etwas ganz anderes. Ich habe ihren Vater danach gefragt, als er bei mir war. Er hat gesagt, Elisabeths Mutter habe seit ihrer Jugend an einer leichten bis mittelschweren Depression gelitten. Er hat aber auch von einem tragischen Vorfall gesprochen, nach dem sich ihr Zustand drastisch verschlechtert hatte. Angeblich war sie danach chronisch depressiv und im Grunde lebensmüde.«
»Was ist passiert?«
»Er wollte es mir nicht sagen.«
»Wie geht es Elisabeths Mutter heute?«
»Sie ist gestorben.«
Wanda schenkte ihnen Wein nach. »Tja, da hast du deine Antwort. Depressive Mutter, Familientragödie, dann stirbt die Mutter – so was nimmt keiner auf die leichte Schulter. Stephanie, ich sehe, wie viele Gedanken du dir machst. Du darfst dir deinen Job nicht so zu Herzen nehmen, und ich weiß, dass du dich besser abgrenzen könntest, wenn du nicht so erschöpft wärst. Ganz offensichtlich tust du dein Bestes. Für sie wird alles getan, was möglich ist.«
»Ich nehme es mir nicht zu Herzen.« Stephanie hörte, wie schnippisch sie klang, und sie versuchte sofort, ihre Stimme zu dämpfen. »Ich will bloß verhindern, dass sie noch tiefer abrutscht. Ich spüre, ich könnte ihr helfen, wenn sie mich nur an sich ranlassen würde.«
»Weißt du, manchmal muss man einfach akzeptieren, dass ein Patient keine Hilfe möchte.«
»Das weiß ich.«
»Wo ist Mark? Ist er übers Wochenende verreist?«
»Vielleicht.«
»Ist etwas passiert?« Wanda zog die Augenbrauen leicht nach oben.
»Vermutlich. Vielleicht treffen wir uns nicht mehr.«
»Warum nicht? Ich fand, dass ihr zwei gut zusammengepasst habt.«
»Ja, kann sein. Aber es wurde mir zu viel. Ich habe für solche Sachen im Moment nicht den Kopf frei.«
Wanda schüttelte seufzend den Kopf. »Jede Frau, die ich kenne, versucht krampfhaft, einen bindungswilligen Kerl zu finden. Du hast einen und schießt ihn in den Wind.«
»Na und?«
»Na und? Du hast Nerven.« Wanda trank ihren Espresso aus. »Fertig?«
»Ja. Ich glaube, heute gehe ich früh ins Bett.«
Wanda betrachtete sie nachdenklich. »Da fällt mir noch was ein. Zu Elisabeth Clark. Als sie ausgerastet ist, hat sie ein paar Mal einen
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