Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
großzügig. Ich …«
»Das ist nichts, Stephanie. Überhaupt nichts.«
Sie packt ihre Sachen bei Merv’s zusammen. Sie reißt das Laken vom Bett, geht an die Rezeption und legt es auf den Tresen. Dahinter sitzt dieselbe junge Frau wie am Abend ihrer Anreise.
»Sie haben bis Mittwoch gebucht.«
»Ich habe meine Meinung geändert. Ich ziehe um. Ins Andy’s.«
»Sie wissen, wie teuer der Laden ist?«
»Ich habe beschlossen, mir was zu gönnen.«
Mit einem Grinsen im Gesicht stolziert sie zur Tür hinaus.
26.
A ndy ist ein engagierter Gastgeber und schafft es, sie von der Abreise abzuhalten. Schließlich bleibt sie bis übers Wochenende. Ihr letzter Urlaub liegt Jahre zurück, und hier hat sie ein riesiges Zimmer mit dem bequemsten Bett, in dem sie je geschlafen hat, mit einem weichen Sofa zum Kuscheln, einem Schreibtisch, einer Stereoanlage, einem eigenen Telefonanschluss und einem Fernseher. Und hinter dem Fenster erstreckt sich die Tasmanische See in schimmernden Blau- und Grüntönen, auf der silbrige Lichtreflexe tanzen. Abends, wenn sie auf dem Balkon sitzt, verfärbt sich der Himmel zartrosa und lila, bevor die Sonne hinter dem Horizont verschwindet.
Jeden Morgen steht ein Korb vor ihrer Tür. Obst, Croissants, Joghurt, kleine Müslipakete. Die Frau, die sich um das Gästehaus kümmert, stellt ihn jeden Tag in aller Frühe vor Stephanies Zimmer ab. Sie ist hübsch, die roten Locken umkränzen ihr Gesicht wie ein Heiligenschein aus Kupfer. Holly. Meist ist sie beim Abendessen dabei; sie hilft beim Kochen, auch wenn Andy immer wieder beteuert, er bekäme das auch gut allein hin.
Stephanie geht jeden Abend hinüber. Die Bewohner des Gästehauses sind beim Essen stets willkommen, und die Versuchung ist zu groß. Stephanie hat Langusten gegessen und Austern, Kabeljau und den besten Lammbraten ihres Lebens. Und dazu gibt es Wein. Guten Wein.
Sie isst und trinkt und redet mehr als je zuvor und torkelt jeden Abend ins Gästehaus zurück und fällt ins Bett, um tief und fest und stundenlang zu schlafen. Morgens macht sie kilometerweite Strandspaziergänge, sie läuft über den aschegrauen Sand und atmet die feuchte, frische Meeresluft ein, genießt die Frühlingssonne auf Gesicht und Armen genauso wie den – gar nicht seltenen – Regen. Hier kommt der Regen jederzeit herunter, ohne Vorwarnung klatscht er auf sie nieder, erschreckt ihre Haut, durchnässt sie innerhalb weniger Minuten.
Sie rechtfertigt ihren Urlaub, indem sie Anläufe unternimmt, ihn zu finden. Sie stattet der örtlichen Highschool einen Besuch ab. Sie sei seine Cousine und auf der Durchreise, ihre Mum habe ihr erzählt, er hätte früher hier gearbeitet, eventuell … Wer? Wann soll das gewesen sein? Eine Nachsendeadresse? Nein. Ist zu lange her. Den Akten zufolge arbeitet er schon seit Jahren nicht mehr hier. Fotos? Nein. Die werden in der Bücherei aufbewahrt, aber dort findet gerade ein Umbau statt. Sorry.
Sie ruft im Bildungsministerium an. Sie hält den Hörer fest umklammert, während sie von einem Ansprechpartner zum nächsten durchgestellt wird und die Dudelmusik der Warteschleife über sich ergehen lässt. Sie bemüht sich, freundlich, wenn nicht gar schmeichlerisch zu klingen. »Ich gehöre dem Organisationskomitee an, das das Klassentreffen vorbereitet. Wir versuchen gerade, unsere alten Lehrer ausfindig zu machen.« Immerhin weckt das Vorhaben eine ungeahnte Kreativität in ihr. »Der Lehrer, den ich suche, heißt Ed Black. Ich dachte, dass Sie mir vielleicht weiterhelfen können.«
»Tut mir leid, aber derlei Informationen dürfen wir nicht rausgeben.«
Trotzdem klingt die Frau nicht ganz abgeneigt, ihr zu helfen.
»Ach, wie schade. Es wäre zu schön gewesen, ihn dabeizuhaben.«
»Ich würde Ihnen ja helfen, wenn ich dürfte. Aber Sie wissen ja, der Datenschutz …«
»Er war an unserer Schule sehr beliebt. Ich kann ihn nirgends finden.« Stephanie plaudert immer weiter. »Ach herrje, das Leben ist so viel mühsamer, seit man immer politisch korrekt sein muss.«
»Da haben Sie recht. Macht mir die Arbeit auch nicht leichter.«
»Das muss oft frustrierend für Sie sein. Meinen Sie, Sie könnten mir verraten, ob er noch als Lehrer arbeitet?«
»Ich weiß nicht …«
»Ich würde es niemandem weitererzählen. Dann wüsste ich wenigstens, wo ich ihn nicht zu suchen brauche.«
»Einen Moment.« Wieder die Fahrstuhlmusik. »Äh, nun ja, sagen wir mal, es wäre das Schlaueste, woanders zu suchen.«
»Vielen Dank
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