Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
hatte sie noch geglaubt, sie wären beruflich aneinandergeraten, schließlich war der Rechtsmediziner an sich eine ziemlich schräge Gestalt, milde ausgedrückt. Doch als sie gerade gehen wollten, war die Situation plötzlich reichlich angespannt gewesen, und es war klar, dass da noch etwas anderes lief, etwas sehr Persönliches. Tartaglia hatte sich über den Schreibtisch gebeugt und irgendetwas zu Blake gesagt. Sie wusste nicht mehr genau, was, aber es hatte eher harmlos geklungen. Dennoch hatte sich in Blakes Gesicht sofort eine Reaktion gezeigt. Sie hatte ausgesehen, als wäre sie geschlagen worden.
Während sie die Unterhaltung im Geist zu rekonstruieren versuchte, um sich an die genauen Worte zu erinnern, schob Donovan Songs About Jane von Maroon 5 in den CD-Spieler und wählte ihr Lieblingslied, ›She Will Be Loved‹. Einen Augenblick lang ließ sie sich von der Musik und dem Text mitreißen. Selbstredend konnte Tartaglia sich auf sie verlassen.
Sie hatte nicht vor, irgendjemandem davon zu erzählen, falls ihm das Sorgen bereitete. Aber sie hatte auch nicht vor, ihn in dem Glauben zu lassen, er könne sie für dumm verkaufen und so tun, als wäre da nichts. Nicht nach der Szene, die sie gerade miterlebt hatte.
Vier
Die Fahrt nach Streatham dauerte länger, als Donovan gedacht hatte, aber sie fand das Haus der Kramers ohne Probleme und stellte den Wagen vor dem Grundstück auf einer gelben Linie ab. Die Kramers lebten in einer modernen Doppelhaushälfte mit kurz gemähtem Rasenstreifen an der Seite und einem schnurgeraden, gepflasterten Fußweg, der zwischen gepflegten Blumenbeeten zur Haustür führte. Ein schwarzes Taxi, das wohl Gemmas Vater gehörte, stand vor der Garage auf dem Hof, und hinter den zugezogenen Vorhängen war Licht zu sehen.
Gott sei Dank war sie nicht hier, um der Familie die Nachricht zu überbringen. Das war der Teil ihres Berufes, den sie schon immer am meisten gehasst hatte, besonders wenn es um Kinder ging. Aber es war schlimm genug, in dem Wissen, dass Gemmas Tod weder Selbstmord noch ein Unfall gewesen war, mit den Eltern reden zu müssen. Anders als vielen ihrer Kollegen fiel es ihr nicht immer leicht, Distanz zu wahren und kein Mitgefühl zu empfinden mit denen, die um einen geliebten Menschen trauerten. Sie hatte sich oft gefragt, warum sie überhaupt in Clarkes Mordkommission eingetreten war, und konnte nur vermuten, dass es ihr um die Genugtuung ging, den Schuldigen zu fassen, weil Gerechtigkeit und Strafe die einzige Entschädigung für den Schmerz waren.
Sie atmete tief durch und drückte auf den Klingelknopf. Der Mann, der die Tür öffnete, trug Militärhosen, Turnschuhe und T-Shirt und einen goldenen Davidstern an einer dicken Halskette. Sein Kopf war kahl rasiert, wodurch sein rundes Gesicht noch runder wirkte, sie schätzte ihn auf Anfang vierzig. Er erinnerte an eine Bulldogge, wie er so klein und stämmig und mit breitem Brustkorb und dem Ansatz eines Bierbauchs mitten in der Tür stand, als wollte er sie bewachen.
»Mr. Kramer? Ich bin Detective Sergeant Donovan.« Sie hielt ihm ihren Dienstausweis hin. »Ich gehöre zu dem Team, das sich mit Gemmas Tod befasst.«
Er schob die Hände in die Hosentaschen, als wüsste er sonst nichts mit ihnen anzufangen, und warf einen flüchtigen Blick auf den Dienstausweis, bevor er fast widerwillig zur Seite trat und sie einließ.
»Dennis Kramer, Gemmas Stiefvater. Kommen Sie rein.« Seine Stimme war ein tiefes, kehligen Knurren, der Akzent unverkennbar Südlondon.
Von einem Stiefvater hatte der DI in Ealing nichts erwähnt. Stiefväter galten in solchen Fällen als Hauptverdächtige. Aber unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis konnte Kramer sofort wieder von der Liste gestrichen werden, wenn Mrs. Brookes Beschreibung korrekt war. Natürlich wäre es denkbar, dass er sich die Haare in den letzten Tagen abrasiert hatte, dennoch hatte er nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Mann, den die alte Dame beschrieben hatte.
»Ist Gemmas Mutter da?«
»Mary hat sich oben hingelegt. Sie hat Gemmas Leichnam im …« Er suchte nach dem richtigen Wort, dann stöhnte er. »Ich habe ihr gesagt, ich würd’s machen, aber sie hat darauf bestanden, selbst hinzugehen. Das hat ihr den Rest gegeben.«
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber ich hätte da ein paar Fragen, die ich Ihnen stellen muss. Ist die Opferschutzbeamtin da?«
Er schüttelte den Kopf. »Die ist mir auf die Nerven gegangen, da habe ich sie nach Hause
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