Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
B zu kriegen.
»Sollen wir woanders hingehen, wo es ruhiger ist?«, schrie er. »Ich habe ein Auto, und ich kenne eine nette kleine Bar in der Nähe, wo wir uns unterhalten können.«
»Kein Auto, danke. Ich mag hier«, sagte sie stirnrunzelnd, nachdem er sich dreimal wiederholt hatte.
Die Sache mit dem Auto schien ihr entschieden zu missfallen. Er musste sich das Lachen verkneifen. Was glaubte sie, was er im Wagen mit ihr anstellen würde? Lieber würde er ohne Fallschirm aus dem Flugzeug springen, als die dumme kleine Schlampe zu vögeln. Schon der Gedanke war absurd.
Er streckte die Hand aus. »Komm schon, Yolanda. Hier ist es zu laut.«
Stur schüttelte sie den Kopf. »Nein. Hier ist gut.«
Jetzt bloß nicht drängeln. Vielleicht brauchte sie noch eine Injektion Alkohol, um locker zu werden. Und wenn sie sich weiter so zickig anstellte, würde er vielleicht ein paar Tropfen GHB dazugeben müssen. Aber das könnte seinen Zeitplan über den Haufen werfen.
»Noch was zu trinken? Ja?«, fragte er und rang sich ein Lächeln ab.
Sie nickte langsam und sah aus, als wäre sie eingeschnappt, was ihn ärgerte. Sie sollte verdammt noch mal dankbar sein, dass er sich überhaupt mit ihr abgab, blöde Schlampe. Er kippte ihr den Rest seines Weins ins Glas und stand auf, um noch eine Runde zu holen.
Yolanda sah ihm nach, als er sich durch den überfüllten Raum zur Theke vorkämpfte. Es war so laut, dass sie sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Plötzlich fühlte sie sich müde und sehr einsam. London war eine grausame Stadt. Alles stürmte auf sie ein und nahm ihr die Luft zum Atmen. London saugt dich aus, hatte ihre Freundin Dolores gesagt, bevor sie nach Spanien zurückgekehrt war. Kein Mensch kümmert sich um den anderen. Keiner will etwas wissen, alle sind angespannt, immer in Eile, keine Zeit für niemanden. Die Leute sahen einen nicht einmal an, wenn man auf der Straße an ihnen vorbeilief, keiner grüßte wie dort, wo sie herkam. Heimweh überfiel sie, und ihr traten die Tränen in die Augen. Was tat sie hier mit diesem Mann?
Am Telefon und in den E-Mails hatte er ihr das Gefühl gegeben, dass er sie wirklich verstand, dass er genauso fühlte wie sie. Jeden Tag war sie in die Bücherei gegangen, um zu sehen, ob er ihr geschrieben hatte, war euphorisch gewesen, wenn ja, und verzweifelt, wenn nicht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so gut aussah und so geschniegelt. Sie hatte ihn sich jünger vorgestellt, sensibel und unsicher, voller Selbstzweifel und Einsamkeit, jemanden, der einem schwierigen Leben einen Sinn abzuringen versuchte. Aber dieser Mann war komplett anders. Er war selbstsicher, zuversichtlich, abgeklärt. Man sah das an seiner Haltung, an seinen Bewegungen und seinen Gesten. Er konnte es nicht überspielen. Seine ganze Art erweckte in ihr den Wunsch, sich in sich selbst zurückzuziehen, weg von ihm. Schon immer hatten Männer ihr dieses Gefühl vermittelt, unbeholfen und unattraktiv zu sein, von ihren gelegentlichen Aufmerksamkeiten fühlte sie sich gedemütigt, und, was immer sie auch gesagt hatten, unwürdig. Wie verlogen sie waren. Sie wollten alle nur das eine. Ihre Mutter hatte das schon immer gesagt, und der hier war genau wie alle anderen. Hatte von seinem Auto erzählt – sie wusste, was das bedeutete. Das ganze Gerede, dass er sie verstand, war nur Heuchelei gewesen, und wenn er nicht lächelte – was oft vorkam -, kam ein Blick in seine Augen, der ihr Angst machte.
Von ihrem Platz aus konnte sie ihn nicht sehen. Hoffentlich konnte er auch sie nicht sehen, und hoffentlich brauchte er eine Weile, die Getränke zu bringen. Aber er würde zurückkommen. Was sollte sie dann tun? Wie um alles in der Welt sollte sie hier herauskommen? Er würde sie nicht einfach gehen lassen. Er würde ihr nach draußen folgen, und da wäre sie nicht mehr sicher vor ihm. Sie sah sich an den Tischen in der Nähe um, ob sie sich jemandem anschließen konnte, aber alle waren in Gespräche vertieft. Niemand sah aus, als würde er demnächst nach Hause gehen wollen. Und überhaupt, was sollte sie sagen? Kann ich mit Ihnen mitkommen? Können Sie mich nach Hause bringen? Die Leute würden sie für verrückt halten. Es war heiß hier. Normalerweise trank sie keinen Alkohol – sie hatte es nur getan, um ihn zufriedenzustellen und sich Mut anzutrinken -, und langsam wurde ihr schwindelig. Bald würde er mit den Getränken zurück sein, eine Welle der Panik stieg in ihr hoch. Sie musste gehen, sofort.
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