Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
sicher – Dallie würde ihr vielleicht etwas antun, aber doch kaum einem Kind. Es war kein allzu großer Trost.
Der Steinbruch lag völlig verlassen da, wie eine große Wunde, die man in den Erdboden gerissen hatte. Pyramiden von gebrochenen rötlichen Gesteinsbrocken lagen neben den Loren und stillgelegten Fließbändern. Francesca fuhr auf ein Wellblechgebäude zu, fand aber keine Menschenseele dort. Ich komme zu spät, dachte sie. Dallie ist schon wieder weg. Sie
fuhr an den Rand des Steinbruchs und blickte schaudernd in die Tiefe. Ganz unten erkannte sie undeutlich eins von Teddys Spielzeugautos.
Für einen kurzen Augenblick hatte sie die Orientierung verloren, dann wurde ihr klar, daß es kein Spielzeugauto sein konnte. Und der Mann, der sich gegen die Motorhaube lehnte, war kein Liliputaner. Er hatte diesen schrecklichen Ort gewählt, damit sie sich unendlich klein und ohnmächtig vorkäme. Sie setzte den Wagen behutsam zurück und tastete sich langsam am Rand entlang, bis sie einen steilen Kiesweg fand, der hinunterführte.
Je höher die Steinwände sich neben ihr auftürmten, desto ausgeglichener fühlte sie sich. Seit Jahren hatte sie scheinbar unüberwindliche Hürden zu überwinden. Dallie war nur ein weiteres Hindernis auf ihrem Weg, das würde sie auch noch wegräumen. Und sie hatte ihm eins voraus: Er erwartete das Mädchen, das er gekannt hatte, die einundzwanzigjährige Tussipussy.
Schon von weitem sah sie, daß er allein war. Teddy war nicht bei ihm. Dallie wollte seine Rache auskosten, bevor er ihr das Kind zurückgab. Sie parkte ihren Wagen in einiger Entfernung. Wenn er es auf einen Nervenkrieg anlegte, war sie bereit. Es war schon fast dunkel, daher ließ sie die Scheinwerfer brennen. Ganz gelassen und ohne Eile stieg sie aus dem Wagen, hatte keinen Blick für die bedrohlichen Granitwände. Langsam kam sie im Scheinwerferlicht auf ihn zu. Ein eisiger Wind zerrte an ihrem Schal und ließ ihn ihr ins Gesicht flattern. Dann endlich stand sie vor ihm und sah ihn durchdringend an.
Er stand an seinen Wagen gelehnt, die Füße übereinandergeschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt – alles an seiner Körperhaltung drückte Verspannung aus. Er trug nur eine Daunenweste über dem Flanellhemd. Seine Stiefel waren von
feinem rotem Staub bedeckt, als ob er schon einige Zeit hier verbracht hätte.
Von nahem sah er ganz furchtbar aus, völlig anders als auf dem Coverfoto der Sportillustrierten. Er sah so elend aus, daß sie nur die blauen Paul-Newman-Augen als vertraut empfand, die sie feindselig anstarrten.
»Wo ist Teddy?«
Ein schneidender Wind blies ihm das Haar aus dem Gesicht. Er richtete sich zu voller Länge auf. Eine Zeitlang sagte er nichts. Sah nur auf sie herab, als wäre sie ein Abschaum der Menschheit.
»In meinem ganzen Leben habe ich nur zwei Frauen geschlagen«, sagte er endlich. »Und du zählst nicht richtig, denn es war Gegenwehr. Aber seit ich weiß, was du mir angetan hast, denke ich nur noch daran, wie ich dich zu fassen kriege und dich nach Strich und Faden verprügele!«
Sie mußte sich zwingen, ruhig zu bleiben. »Laß uns irgendwo hingehen, wo wir alles bei einer Tasse Kaffee besprechen können.«
»Meinst du nicht auch, daß du den richtigen Zeitpunkt für eine gemeinsame Tasse Kaffee verpaßt hast? Der war vor zehn Jahren, als du gemerkt hast, daß du ein Kind von mir bekommst.«
»Dallie –«
»Hättest du mich damals nicht anrufen müssen, um mir zu sagen: ›Hey, Dallie, wir haben da ein kleines Problem, über das wir beide uns mal in aller Ruhe unterhalten müssen‹?«
Sie vergrub die Fäuste tief in den Taschen ihrer Jacke, er sollte ihr nicht anmerken, wieviel Angst er ihr einflößte. War das der Mann, den sie geliebt hatte – ein Mann, der nur zu gerne lachte, sich über menschliche Schwächen amüsierte? »Ich will Teddy sehen, Dallie. Was hast du mit ihm gemacht?«
»Er ist meinem Alten wie aus dem Gesicht geschnitten«, erklärte
Dallie wutentbrannt. »Sieht aus wie Jaycee Beaudine en miniature. Der alte Bastard hat auch Frauen verprügelt. Da war er ganz groß drin.«
Daher wußte er es also. Sie deutete auf ihren Wagen, wollte sich nicht länger in diesem Steinbruch aufhalten und sich Prügel androhen lassen. »Dallie, laß uns von hier wegfahren –«
»Damit hast du wohl nicht gerechnet, daß Teddy wie Jaycee aussieht, was? Und daß ich ihn erkennen würde, hättest du dir nicht träumen lassen, als du diesen teuflischen Plan
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