Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
verbrachten sie schweigend. Zu ihrer Überraschung hielten sie vor dem »Lutèce«. Seltsamerweise war sie enttäuscht. Auch wenn das »Lutèce« vermutlich das beste Restaurant in New York war, Dallie wollte offenbar damit Eindruck schinden. Warum hatte er nicht etwas gewählt,
wo er sich zu Hause fühlte? Dieses Nobelrestaurant mußte ihm doch gegen den Strich gehen. Francesca sah im Geist einen unbehaglichen Abend voraus; wie sollte sie ihm die Speisekarte und die Weine erklären, ohne sein männliches Ego empfindlich zu stören?
Die Empfangschefin erkannte Francesca und lächelte ihr zu. »Mademoiselle Day, schön, Sie wieder einmal bei uns begrüßen zu dürfen!« Und dann wandte sie sich an Dallie.
»Monsieur Beaudine, es ist schon zwei Monate her. Wir haben Sie vermißt. Ich habe Ihren alten Tisch für Sie reserviert.«
Alter Tisch? Francesca starrte Dallie an. Schon wieder reingefallen! In ihrer Vorstellung war Dallie immer noch der Mann, den er ihr vorspielte. Sie hatte übersehen, daß er in den vergangenen fünfzehn Jahren Zugang zu den exklusivsten Clubs Amerikas hatte.
»Die Muscheln sind heute besonders zu empfehlen«, verkündete Madame auf dem Weg zu ihrem Tisch.
»Fast alles hier ist zu empfehlen«, meinte Dallie, als sie in den bequemen Korbstühlen Platz genommen hatten. »Aber vorsichtshalber lasse ich mir alles ins Englische übersetzen, was mir irgendwie verdächtig vorkommt. Letztes Mal hätten sie mir beinahe Leber aufgeschwatzt.«
Francesca lachte auf. »Du bist ein Wunder, Dallie, ehrlich.«
»Wieso denn?«
»Ich glaube nicht, daß es viele Menschen gibt, die sich im ›Lutèce‹ ebenso zu Hause fühlen wie in einer Bar in Texas.« Er sah sie nachdenklich an. »Mir kommt es so vor, als ob du dich auch in beiden wohl fühlst.«
Dieser Kommentar warf Francesca etwas aus dem Gleichgewicht. Sie war so sehr gewöhnt, sich Gedanken über ihre Gegensätzlichkeiten zu machen, daß ihr nie aufgegangen war, daß es auch Gemeinsamkeiten gab. Sie plauderten über die Speisekarte, dabei ließ Dallie sie keine Sekunde aus den Augen. Sie fühlte sich schön wie noch nie in ihrem Leben, es war
eine Schönheit, die von innen kam. Sie erschrak über ihre sanfte Stimmung und war daher froh, als der Kellner an den Tisch kam.
Als er wieder gegangen war, verschlang Dallie sie mit den Augen und lächelte sehr intim. »Die Nacht mit dir war sehr schön.«
O nein, bloß das nicht, dachte sie. So leicht wollte sie es ihm nicht machen. Sie hatte diese Spiele schon mit anderen gespielt, dieser Fisch hier sollte ruhig ein bißchen zappeln. Mit unschuldigem Augenaufschlag öffnete sie den Mund, um zu fragen, welche Nacht er denn meine, statt dessen hörte sie sich sagen: »Ja, ich fand die Nacht auch sehr schön.«
Er streckte den Arm nach ihr aus und drückte ihr die Hand, ließ sie aber blitzschnell wieder los. »Es tut mir leid, daß ich dich angebrüllt habe. Holly Grace hat mich ziemlich fertiggemacht. Sie hätte nicht einfach so hereinplatzen dürfen. Du konntest ja gar nichts dafür, ich hätte meinen Ärger nicht an dir auslassen dürfen.«
Francesca nickte. Sie wollte seine Entschuldigung zwar nicht so recht akzeptieren, sie aber auch nicht brüsk ablehnen. Das Gespräch driftete in sicherere Gewässer, bis der Kellner mit dem ersten Gang erschien. Francesca fragte Dallie nach seinem Termin mit dem Sender. Er antwortete vorsichtig, was sie sofort veranlaßte weiterzubohren.
»Wenn du also den Vertrag mit dem Sender abschließt, kannst du nicht mehr an den großen Turnieren teilnehmen?« Sie zog eine Schnecke aus einem kleinen Keramiktöpfchen, wo sie in einer Buttersauce mit vielen Kräutern schwamm.
Er zuckte mit den Achseln. »Ich bin bald zu alt für Wettkämpfe. Ich unterzeichne lieber jetzt, da es sich noch auszahlt.«
Die Zahlen und Fakten aus dem Ordner schwirrten ihr durch den Kopf. »Holly Grace hat mir gesagt, du spielst dieses Jahr nicht im US Classic.«
»Vermutlich nicht.«
»Ich dachte, du würdest dich erst zurückziehen, wenn du ein großes Turnier gewonnen hast.«
»Meine Bilanz ist nicht schlecht.« Und dann erzählte er, wie Miß Sybil und Doralee miteinander auskamen. Da Francesca sich gerade mit beiden Frauen am Telefon unterhalten hatte, interessierte sie eher die Art, wie er das Thema gewechselt hatte.
Der Kellner brachte die Horsd’œuvres. Dallie hatte sich für Muscheln in Tomatensauce mit Knoblauch entschieden, Francesca hatte eine Blätterteigpastete mit einer
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