Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Kopf bis Fuß. »Jawohl! Ich und meine verfluchten Streuner!«
Das stopfte Skeet vorübergehend den Mund, was Dallie auch beabsichtigt hatte. Zum zweiten Mal schlug er sein Buch auf, dabei fielen drei zusammengefaltete Blätter aus blauem Briefpapier in seinen Schoß. Er entfaltete sie, musterte eingehend die herumtollenden Snoopys am oberen Rand und die Reihe von Küßchen am unteren Rand und fing an zu lesen.
Lieber Dallie,
hier liege ich nun an Rocky Halleys Swimmingpool, nur ein winziger purpurroter Bikini bewahrt mich vor einem schlechten Ruf. Erinnerst Du Dich noch an Sue Louise Jefferson,
das Mädchen aus der Milchbar? Die heimlich nach Texas gefahren ist, weil sie unbedingt das Maskottchen für die »Boilermakers« spielen wollte? Nach dem Spiel gegen die »Buckeyes« hat sie dann einer aus der Siegermannschaft geschwängert (die »Boilermakers« hatten 21 zu 13 verloren). Also, ich mußte neulich wieder an die Zeit denken, als sie noch bei uns in Wynette war und ihr die Schule und der Freund allmählich zuviel wurden. Als ich mal Vanille-Schokolade mit Streuseln bestellte, meinte sie: »Das Leben kommt mir vor wie ein Eis, Holly Grace. Entweder es schmeckt so wunderbar, daß es dir kalt über den Rücken läuft, oder es schmilzt dir, und du bekleckerst dich.«
Ja, das Leben schmilzt, Dallie.
Ich habe den Halsabschneidern von Sports Equipment International fünfzig Prozent über Soll verschafft. Und dann zerrt mich doch tatsächlich der neue Vizepräsident letzte Woche in sein Büro und teilt mir mit, ein anderer wird zum Außendienstleiter der südwestlichen Region befördert. Und dieser andere ist zufällig ein Mann und hat letztes Jahr nur mit Hängen und Würgen sein Pensum geschafft. Da bin ich aber in die Luft gegangen! Hab’ ihm sofort ’ne Gleichberechtigungsklage in Aussicht gestellt. Und er: »Na, na, Süße. Ihr Frauen seid da viel zu empfindlich. Haben Sie Vertrauen zu mir!« – »Vertrauen?« habe ich gesagt. »In einem Pflegeheim für alte Damen würden Sie noch glatt ’nen Steifen kriegen. Jetzt wissen Sie, was ich Ihnen zutraue!« Dann flogen noch ähnlich saftige Sprüche hin und her. Das ist auch der Grund, warum ich augenblicklich nicht auf Flugplätzen kampiere, sondern mich mit der Nummer 22 am Swimmingpool rekele …
Und zum Schluß die angenehmen Neuigkeiten – ich trage meine Haare jetzt wie Farrah Fawcett, steht mir einfach supergut. Und der Firebird läuft wie geschmiert (es lag am Vergaser, genau wie Du vermutet hast).
Mach keinen Quatsch, Dallie, und bleib bei Deinen Birdies.
Alles Liebe,
Holly Grace.
PS: Was ich Dir von Sue Louis Jefferson erzählt habe, ist ein bißchen geflunkert. Erwähn lieber nichts davon, wenn Du sie das nächste Mal triffst.
Dallie faltete den Brief grinsend zusammen und steckte ihn in seine Hemdtasche, um ihn möglichst nahe an seinem Herzen zu haben.
6
Die Limousine, ein 1971er Chevrolet, hatte keine Klimaanlage. Das empfand Francesca als besonders lästig, denn die dicke, schwere Hitze hatte sich bereits wie eine undurchdringliche Hülle um sie gelegt. Bisher hatten sich ihre USA-Reisen auf Manhattan und die Hamptons beschränkt. Sie würdigte trotzdem die unbekannte Landschaft, die sich ihr seit der Landung in Gulfport darbot, keines Blickes. Dafür war sie zu vertieft in ihre Fehleinschätzung der Dinge. Mit ihrer Garderobe hatte sie einen schönen Fehlgriff getan. Voller Abscheu sah sie sich ihre schweren weißen Wollhosen und den langärmeligen grasgrünen Kaschmirpullover an, der ihr so unangenehm auf der Haut klebte. Immerhin war es der erste Oktober! Wer hätte ahnen können, daß es so heiß sein würde?
Nach vierundzwanzig Stunden im Flugzeug waren ihre Augen schwer wie Blei, der Körper verschwitzt und verdreckt. Sie war von Gatwick zum John-F.-Kennedy-Airport geflogen, von da nach Atlanta und schließlich nach Gulfport. Da hatte sie
bei zweiunddreißig Grad im Schatten nur ein Taxi ohne Klimaanlage auftreiben können. Sie träumte von ihrer Ankunft im Hotel, einem erfrischenden Gin mit einer langen, kalten Dusche und vierundzwanzig Stunden Schlaf. Genau das würde sie sich gönnen, nur erst bei der Filmgesellschaft anrufen und fragen, wo sie untergebracht war.
Sie hielt den Pullover ein Stück von ihrer feuchten Haut weg und versuchte sich aufzumuntern. Sie versprach sich ein ganz tolles Abenteuer. Schauspielerfahrung hatte sie nicht, aber mit Sicherheit eine wunderbare Begabung. Sie würde ihr Bestes geben, die
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