Komm wieder zurück: Roman
wo es langgeht.«
Eine Knarre gibt es nicht, doch das kann er nicht wissen.
»Darf ich Sie so zitieren?«
Er hält sich für witzig. Annie streift die Handschuhe ab und wirft sie auf die Ladefläche. Ihre Hände haben sich zu Klauen verkrampft. Sie reißt sich den Mantel vom Leib, als ob sie sich auf einen Kampf vorbereitet.
»Irgendwo hab ich gelesen, dass Sie nicht mehr auf Tournee gehen«, sagt der pausbäckige Junge. »Im Tonstudio waren Sie nichtmehr, seit Sie G
ull on a steeple
aufgenommen haben. Aber das kann natürlich nicht im Zusammenhang mit der Tat Ihres Bruders stehen.«
Sie springt vom Truck, und er rennt davon. »Was mein Bruder macht, geht mich gar nichts an!«, schreit sie und setzt ihm nach. Er entwischt ihr. »Hau bloß ab, du kleines Arschloch!« Für so etwas ist jetzt keine Zeit. Die kleine Regenpause hat es ihr ermöglicht, mit den Tangelos voranzukommen.
Außer Atem erreicht sie die Straße, als der Mann in seinen grünen PKW springt und die Tür schließt.
Annie steht keuchend am Straßenrand. Wenn sie nicht aufpasst, bricht sie gleich in Tränen aus. Vor ihrer Auffahrt steht ein altes Eisentor mit teils eingerosteten Scharnieren. Seit Jahren hängen die beiden Flügel offen zur Seite. Sie marschiert die Straße hinunter und schiebt und zieht die beiden Teile zu. Das Kreischen von Metall auf Metall lässt sie zusammenzucken. Als sie sich wieder zum Hain umwendet, sieht sie, wie der Mann sich aus dem Fenster lehnt und ein Teleobjektiv auf sie richtet. Sie ist schmutzig und trägt ein altes langärmeliges T-Shirt ohne BH, das sie aus dem hintersten Winkel der Schublade gezogen hat.
ANARCHY!
steht vorne drauf. Sie schirmt ihr Gesicht mit der Hand ab, als würde sie einen Faustschlag erwarten.
Sie wird einen Sicherheitsdienst beauftragen, sobald sie wieder im Haus ist.
Nicht doch!,
sagt sie zu ihren eigenen Tränen, doch sie kommt nicht gegen sie an.
Sie ist nur wenige Schritte weitergekommen, als ein anderer Wagen auf der Straße erscheint. Dunkel, maskulin und schnittig, ganz klar ein Zivilstreifenwagen, der auf ihr Tor zufährt. Er hält an, und zwei Männer steigen aus. Sie fragen nicht, ob sie Annie Walsh ist. Ihr ist klar, dass sie das bereits wissen. Sie fragen nur, ob sie mit ihr sprechen dürfen. Sie weisen sich mit ihren Dienstmarken aus. Nur ein paar Fragen, falls sie nichts dagegen habe.
»Wie viele sind ein paar?«, fragt sie. »Ich hab nicht viel Zeit.«
»Weniger als zwanzig«, sagt einer der beiden.
Sie lässt sich zu ihrem Haus fahren. Ihre Jacke liegt immer noch hinten auf dem Truck, und sie friert jetzt, zittert auch vom Adrenalin. Sie kommt sich wie eine Verbrecherin vor, weil sie hinten in einem Streifenwagen sitzt. Sie kann ihren eigenen Schweiß riechen.
Beide Männer haben dunkles Haar, eine kantige Kinnpartie und ein weißes, gesund wirkendes Gebiss. Sie könnten Brüder sein, und sie überlegt, ob sie deshalb als Team eingesetzt wurden. Sie lachen ein bisschen. Sie wäscht sich die Hände an der Spüle, und sie nehmen Platz, bevor sie es ihnen anbietet.
Das sind die ersten fremden Menschen, die seit Monaten ihr Zuhause betreten. Sie versucht, es mit deren Augen zu sehen. Etwas zu ordentlich. Etwas zu still. Blank gescheuert. Blasses, blondes Holz, wohin man auch blickt.
Sie kocht Kaffee. Sie reden nicht viel, bis er fertig ist und sie drei Becher an den Tisch bringt und ihnen zwei davon hinschiebt.
Die Waffen an ihren Gürteln erregen ihre Aufmerksamkeit. Das schwere gebürstete Metall bringt sie dazu, die Wahrheit zu sagen.
»Er war an dem Morgen hier, aber er hat mir gar nichts von Magnus erzählt«, sagt sie, als sie danach fragen. »Nicht dass ich wüsste. An so einen Namen würde ich mich erinnern.«
»Wer würde das nicht?«, sagt Detective Ron.
»Und darum ist mir nicht klar, womit ich Ihnen dann sonst noch helfen könnte.«
»Sie würden sich wundern, was für Sachen uns weiterhelfen«, sagt Detective Rick.
Annie trinkt ihren Kaffee und sieht über den Rand ihres klobigen Bechers hinweg erst den einen, dann den anderen an.
»Wie war er denn als Kind?«, fragt Detective Ron.
»Warum fragen Sie?«
»Aus purer Neugier.«
»Wie waren Sie denn als Kind?«, fragt sie.
»Ein Satansbraten«, sagt er, und beide Männer lachen.
Annie stellt ihren Kaffee auf den Tisch. »Er war süß. Ein ganz normaler Junge. Er hat gern geangelt. Mochte die Natur und Musik. Er sah gern Pflanzen wachsen.«
»Wir wissen, dass er damals ziemlich schlimme Tics
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