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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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sie noch wachsen sollte, nachdem ihr Vater tot war. Es schien nicht richtig, dass ohne ihn alles weitergehen sollte wie bisher. Doch es war so, und sie fühlte sich schuldig und verwirrt, weil sie nach einem neuen Kleid für Thanksgiving suchte. Sie spielte mit und hielt ein Kleid nach dem anderen hoch, um zu sehen, wie ihre Mutter das jeweils fand, und sie glaubte, dass ihre Mutter genauso empfand wie sie, denn alle Kleider erschienen ihr ebenfalls unpassend. Aber dann fand Annie eines, das ihr wirklich gefiel. Es war ärmellos und blau, in der Farbe ihrer Augen, genauso blau wie die ihres Vaters und Calders, und das Kleid hatte winzige weiße Stickereien an Saum und Ausschnitt, und als sie es hochhielt, wusste sie, dass es genau das war. Sie sagte (vielleicht ein bisschen zu laut): »Das ist es!« Doch als sie sich umdrehte, war niemand da, und nichts als Berieselungsmusik strömte durch die Decke herein. Ihre Mutter war verschwunden. Irgendwann legte Annie das Kleid hin. So fühlte man sich, wenn man keine Eltern hatte. Es war ein langer, scheinbar endloser schwarzer Flur, wo es nichts und niemanden gab, um ihr zu helfen, den Sinn der Welt zu verstehen. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass sich ein Mensch so allein fühlen konnte.
    Sie suchte die Gänge ab. Kosmetik, Schmuck, Accessoires. Ihre Mutter mochte schon immer Halstücher, aber dort war niemand, und Annie blieb einen Moment stehen, um sich zu sammeln, ihre Panik zwischen den Seidenstoffen zu beruhigen. In der Schuhabteilung für Männer hatte sie sie endlich gefunden. Eine Verkäuferinklopfte ihrer Mutter auf den Rücken und versuchte, ihr Wasser aus einem Pappbecher einzuflößen, doch die Mutter schluchzte nur, während ein schwarzer Herrenschuh schlaff in ihrer Hand hing.
    Jetzt saß Annie am Tisch in dem alten gelben Kleid, das am Rücken und unter den Achseln spannte. Seit sie es das letzte Mal getragen hatte, war ihr ein Busen gewachsen, und es war nur eine Frage der Zeit, dass die Nähte platzten. Also hielt sie still und sah zu, wie Calder mit den Knien schlug und sein Comicheft las. Seine Arme auf dem Tisch zitterten leicht von der Bewegung seiner Beine, und der ganze Tisch bebte gerade genug, um einem auf die Nerven zu fallen.
    Die Mutter sprang auf, um noch etwas aus der Küche zu holen. Sie wankte und fing sich gerade noch im Türrahmen. »Hoppla«, sagte sie. Offenbar hatte sie schon vor dem Kochen mit dem Trinken angefangen. Annie hatte Angst, in den Truthahn zu schneiden und zu entdecken, dass er roh war oder schlimmer noch, dass die Füllung aus einem Herrenschuh bestand.
    »Ich wünsche mir genauso sehr wie alle, dass er wiederkommt«, flüsterte Annie Calder zu. »Aber das wird nicht passieren. Absolut nicht. Er hatte einen Hirntumor, Calder. Er hatte Krebs.«
    »Mrs Brinkman hatte auch Krebs, und sie läuft immer noch durch die Flure von Lakewoods Grundschule und brüllt alle an«, sagte er hinter seinem Comic.
    »Das ist nicht dasselbe.«
    »Was denn?«
    »Derselbe Krebs. Sie hatte keinen Hirntumor. Ihrer war anders. Sie haben es rechtzeitig gemerkt und ihn weggemacht. Er ist weg. Darum ist sie immer noch hier und schreit alle an.«
    »Daddy hat nie jemanden angebrüllt.«
    »Nein. Das Schreien lag ihm nicht so.«
    »Warum musste er dann gehen und Mrs Brinkman konnte bleiben?«
    »Keine Ahnung.«
    »Woher willst du dann wissen, dass er nicht zurückkommt?«
    »Weil er nicht zurückkommt, darum!« Annie stieß ihren Stuhlzurück und spürte, wie am Rücken eine Naht neben dem Reißverschluss platzte. Sie ging zur Tür, die in den Flur führte. Da durchzugehen, schien ihr aber gemein und endgültig, darum drehte sie sich um, während der Deckenventilator warme Luft in die offene Naht blies. Calder hatte seinen Comic auf den Tisch geknallt, und die Mutter stand wie erstarrt in der Küchentür auf der anderen Seite. Ein neuer Drink schwappte im Glas in ihrer Hand.
    »Er kommt nicht zurück!«, schrie Annie beide an. »Nie. Nie. Nie. Nicht mal für eine Minute. Also hör auf, das zu sagen, hör auf, dich wie ein Kleinkind zu benehmen, Calder. Hör auf, danach zu fragen, als ob es dadurch wahr werden könnte!« Sie roch den Whiskey im Glas ihrer Mutter und auf ihrer verschwitzten Haut, als sie durch die Küche auf die durch Fliegengitter abgeschirmte Veranda stampfte. Sie warf sich auf die mottenzerfressene Chaiselongue. Ihr Magen knurrte so laut, dass jeder es hören konnte.
    Calder räusperte sich, als er die Tür zur Veranda öffnete.

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