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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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sind Glückspilze.«
    »Was ist passiert, Calder?«, fragte Annie.
    Er kniff die Augen zu und wippte auf seinen Hacken.
    »Steh still und sag es mir!« Sie trat einen Schritt auf ihn zu.
    »Sag es ihr.« Ihre Mutter torkelte davon und fuchtelte mit einem Arm in der Luft herum, als wollte sie einen Vogel verscheuchen. »Erzähl ihr von dem Tag, an dem dein Vater ins Krankenhaus ging und nie wieder rauskam. Von dem Tag.« Sie zeigte auf ihren Kopf, tippte sich an die Stirn, wie jemand, der glaubt, eine zündende Idee zu haben. Nur war es keine zündende Idee, die sie meinte. Es war der Tumor im Kopf ihres Vaters.
    Annie stemmte die Fäuste in die Hüften und funkelte Calder an. Ihr Kleid spannte, und die Fäden gaben ein letztes Mal nach, bis es schließlich bequem um den Busen passte.
    Er räusperte sich und zwinkerte.
    »Hör auf!«, schrie sie.
    Sein Mund zuckte schief. »Ich dachte, er wollte dir wehtun. Er hat deine Hand gepackt und gespuckt. Ich hatte keine Ahnung, was er da machte. Du lagst da wie tot, und ich hörte ihn spucken und rannte so schnell ich konnte hin.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich bin ihm auf den Rücken gesprungen, damit er aufhört.«
    »Er hat auf mich gespuckt?«
    »Nein. Ich dachte, er tut dir weh.«
    Sie sah ihre Mutter fragend an.
    »Er hat dir das Leben gerettet, Schatz.« Sie rieb sich die Augen, als wäre sie nur müde. Müde vom Kochen eines so großen Thanksgiving-Essens. »Er hat den Stachel rausgekratzt und auf die Erde gespuckt, um eine Schlammpackung zu machen. Die wollte er auf den Stich streichen, um das Gift herauszuziehen. Seine Mutter ist auch allergisch, genau wie du.«
    »Das wusste ich aber nicht!«, sagte Calder. »Du hast da gelegen, und er hat deine Hand festgehalten.«
    Annie verschlug es die Sprache.
    Calder hielt still.
    »Daher hattest du die blauen Flecken?«, fragte sie endlich. »Du bist also gar nicht vom Baum gefallen, wie du gesagt hast?«
    »Nein.«
    »Er wollte mich
retten

    Calder zwinkerte und räusperte sich.
    Ihre Mutter holte tief Luft und seufzte. »Der Pinckney-Junge hat ihn vermöbelt.« Ihr Gesicht verzog sich, und ihre Augen waren nass im Sonnenschein, und Annie wusste, dass sie keine Sekunde länger über den Tag nachdenken wollte. Aber sie machte weiter. »Und das war auch gut so«, sagte die Mutter, und Annie sah sie an, sah sie wirklich an, zum ersten Mal seit Monaten. Ihre Haarspitzen waren stumpf und gespalten. Das Kleid hing ihr von den Schultern und dort, wo einmal ihre runde Schulter gewesen war, standen knochige Knoten heraus. Das Schlüsselbein versank unter der mageren Kehle.
    Frischer Schweiß lief an Annie herunter. Sie warf einen Blick auf Calder, konnte es jedoch nicht ertragen, die Demütigung in seinem Gesicht zu lesen. Es gehört viel dazu, Calder zu demütigen. Doch auch wenn ein Teil von ihr den Wunsch hatte, ihn zu umarmen, seine Mähne noch weiter zu verwuscheln, seine Schulter zu boxen und zu vergessen, dass irgendwas davon je passiert war, hatte sich ein anderer Teil von ihr schon innerlich verabschiedet und ihn da allein stehen lassen. Die ganze Zeit hatte er gelogen. Sie verstand, dass er das Richtige hatte tun wollen, aber er hatte sie angelogen, und als wäre das noch nicht schlimm genug, hätte er sie um ein Haar sterben lassen.
    Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie es wohl gewesen wäre, wenn sie an jenem Tag zusammen mit ihrem Vater aus der Welt verschwunden wäre. Es fühlte sich an wie Frühling, Blüten und einundzwanzig Grad, wie lustige Geschichten um einen Sonntagstisch herum, wie Vogelhäuschen und Kraftausdrücke und das Aftershave ihres Vaters und ein blaues Kleid mit weißer Stickerei. Sie hätte dort ewig bleiben mögen, in diesem winzigen Zeitloch. Doch sie schlug die Augen auf und landete wieder in der Hitze, bei Mutter und Bruder im Garten, als ihr aufging, dass egal, wie lange sie lebte, sie für jeden weiteren Tag Josh Pinckney zu danken hatte.

NEUNZEHN
    In der Nacht geht dem Miata das Benzin aus und der Motor bleibt stehen. Owen hat noch nie so eine Kälte gespürt wie jetzt, als der frühe Morgen hereinzieht und er sich vom Lenkrad löst, auf dem er geschlafen hat. Finger und Knie schmerzen tief in den Knochen. Die Haut auf seinen trockenen Lippen springt auf, als er hustet, und sein Atem kommt in großen weißen Wolken heraus. Seine Uhr zeigt fünf vor sechs an. Die Fenster sind beschlagen. Dahinter ein blendendes weißes Licht.
    Owen rührt sich, um die Tür zu öffnen, und er ist

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