Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
Wände wurden von überquellenden Bücherregalen gesäumt, und auf einem Arbeitstisch stapelten sich Akten und noch mehr Bücher. Im verbleibenden Raum standen eine abgewetzte, gammlig aussehende Couch und ein Polstersessel mit einer Lampe dahinter. Ich schaffte es, Halpern hoch und auf die knarrende Couch zu zerren, die unter seinem Gewicht bedenklich nachgab.
    Ich richtete mich auf und stieß beinahe mit Deborah zusammen, die sich bereits über Halpern beugte und ihn zornig anfunkelte. »Warte doch lieber, bis er aufwacht, ehe du anfängst, ihn einzuschüchtern«, riet ich ihr.
    »Dieser Mistkerl weiß etwas«, sagte sie. »Warum sollte er sonst zusammenbrechen?«
    »Mangelhafte Ernährung?«, schlug ich vor.
    »Weck ihn auf«, kommandierte sie.
    Ich sah sie an, um festzustellen, ob sie scherzte, aber selbstverständlich war sie todernst. »Was schlägst du vor?«, erkundigte ich mich. »Ich hab mein Riechsalz vergessen.«
    »Wir können hier nicht einfach rumstehen und abwarten«, sagte sie. Und sie beugte sich vor, als ob sie ihn schütteln oder ihm vielleicht einen Schlag auf die Nase versetzen wollte.
    Zu seinem Glück entschloss sich Halpern in genau diesem Moment, das Bewusstsein wiederzuerlangen. Seine Lider flatterten ein wenig, dann hoben sie sich endgültig. Doch als er zu uns hochschaute, verkrampfte sich erneut sein ganzer Körper. »Was wollen Sie?«, fragte er.
    »Versprechen Sie, nicht wieder in Ohnmacht zu fallen?«, fragte ich. Deborah stieß mich mit dem Ellbogen zur Seite.
    »Ariel Goldman«, sagte sie.
    »O Gott«, wimmerte Halpern. »Ich habe gewusst, dass das passieren wird.«
    »Sie hatten recht«, bestätigte ich.
    »Sie müssen mir glauben«, beschwor er uns, während er sich in eine sitzende Position kämpfte. »Ich habe das nicht getan.«
    »Also gut«, sagte Deborah. »Wer dann?«
    »Sie selbst«, sagte er.
    Deborah sah mich an, vielleicht, weil sie feststellen wollte, ob ich ihr erklären konnte, warum Halpern so offensichtlich wahnsinnig war. Unglücklicherweise konnte ich das nicht, weshalb sie wieder ihn anblickte. »Sie hat es selbst getan?«, wiederholte sie mit vor Polizistenzweifel triefender Stimme.
    »Ja«, beharrte er. »Sie wollte, dass es so aussah, als hätte ich es getan, damit ich ihr eine gute Zensur geben musste.«
    »Sie hat sich selbst verbrannt«, artikulierte Deborah sehr deutlich, als spräche sie mit einem Dreijährigen. »Und dann hat sie sich den Kopf abgehackt. Damit Sie ihr eine gute Zensur geben.«
    »Ich hoffe, für all die Mühe haben Sie sie wenigstens mit einer Zwei belohnt«, bemerkte ich.
    Halpern glotzte uns an, sein Kiefer hing herab und zuckte spastisch, als versuchte er, ihn wieder zu schließen, obwohl eine Sehne fehlte. »Wa?«, stammelte er schließlich. »Wovon reden Sie überhaupt?«
    »Ariel Goldman«, sagte Debs. »Und ihre Mitbewohnerin Jessica Ortega. Sie sind verbrannt worden. Die Köpfe wurden abgeschlagen. Was können Sie uns darüber sagen, Jerry?«
    Halpern zuckte und sagte lange Zeit gar nichts. »Ich, ich … sind sie tot?«, flüsterte er endlich.
    »Jerry«, mahnte Deborah. »Die Köpfe wurden abgeschlagen. Was glauben Sie?«
    Ich sah interessiert zu, wie Halperns Gesicht eine Bandbreite von Ausdrücken durchlief, die allesamt Leere spiegelten, und sich gegen Ende, als der Groschen fiel, wieder auf den hängenden Kiefer zurückzog. »Sie … Sie glauben … Sie können doch nicht …«
    »Ich fürchte, ich kann, Jerry«, sagte Deborah. »Es sei denn, Sie könnten mir verraten, warum ich das nicht tun sollte.«
    »Aber das ist … ich würde doch nie …«, stotterte er.
    »Jemand hat es getan«, stellte ich fest.
    »Ja, aber, mein Gott«, sagte er.
    »Jerry«, erkundigte sich Deborah, »was hatten Sie denn angenommen, warum wir hier sind?«
    »Wegen der … der Vergewaltigung«, antwortete er. »Als ich sie nicht vergewaltigt habe.«
    Irgendwo existiert eine Welt, in der alles einen Sinn ergibt, aber wir befanden uns nicht dort. »Wann haben Sie sie
nicht
vergewaltigt?«, fragte Deborah.
    »Ja, das … sie wollte, dass ich, äh«, stammelte er.
    »Sie wollte, dass Sie sie vergewaltigen?«, bot ich ihm an.
    »Sie, sie«, sagte er und begann zu erröten, »sie bot mir, äh … Sex an. Für gute Noten«, erklärte er mit gesenktem Blick. »Und ich habe abgelehnt.«
    »Und da hat sie Sie aufgefordert, sie zu vergewaltigen?«, fragte ich. Deborah versetzte mir einen Stoß mit dem Ellbogen.
    »Sie haben also nein gesagt,

Weitere Kostenlose Bücher