Kommandosache HC-9
Dienstordnung der Abwehr schreibt vor, daß ein Vorgesetzter grundsätzlich mit ›Sir‹ anzureden ist.«
Ich holte tief Luft und öffnete mit ihren Schlüsseln die Kabine des viersitzigen Flugschraubers. »Sie erlauben …!« murmelte sie und schlüpfte an mir vorbei.
Mit gemischten Gefühlen sah ich, daß sie sich hinter den Knüppel setzte. Natürlich konnte sie fliegen, das stand außer Frage. Mir verursachte es jedoch stets Unbehagen, wenn ich mich einer Frau anvertrauen mußte.
Ich setzte mich neben sie und schloß die Schiebetür. Meine Pilotin ließ die kleine Strahlturbine anlaufen und kuppelte den Rotor ein. Pfeifend glitten wir senkrecht in die Luft. Auf den1 Armaturen leuchtete die Fernbildkarte der Distrikt-Luftpolizei auf.
»Beachten Sie bitte die vorgeschriebenen Flughöhen«, erklang eine Automatenstimme aus dem Lautsprecher.
Wir hörten kaum hin. Dieser Hinweis wurde beim Start einer Maschine immer erteilt. Die Fernbildzentrale eines Distriktes wurde automatisch informiert, sobald der Pilot den Radartaster zur Verhütung von Unfällen einschaltete.
»Vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit über dem Stadtgebiet von Annapolis achtzig Meilen«, leuchtete es in grüner Schrift auf der Reliefkarte auf.
Ich war sehr zufrieden, als sie darauf verzichtete, die Rotoren einzufahren, um das Gewicht der Maschine den kurzen Tragflächen anzuvertrauen. Das hätte eine erhebliche Geschwindigkeitssteigerung bedingt, und die war über der Stadt verboten.
So verwandelte sich die als Hubschrauber gestartete Maschine nicht in ein normales Flugzeug, sondern blieb weiterhin ein Helicopter, der gemächlich über Annapolis hinwegzog.
Hinter uns verschwand die Lichterpracht des Strandes. Auch das Stadtbild wanderte aus dem Erfassungsbereich.
Nach einigen Minuten veränderte sich die Leuchtschrift auf der Reliefkarte.
»Stadtgrenze von Annapolis erreicht. Geschwindigkeitssteigerung auf dreihundert Meilen erlaubt.«
»Na endlich«, murmelte sie, während ihre Hände bereits schalteten.
Unter uns heulte das Strahltriebwerk für den schnellen Reiseflug auf. Sie ging sofort auf volle Schubleistung. Die Maschine ruckte so stark an, daß ich hart gegen die Lehne meines Sitzes gepreßt wurde. Als wir eine Fahrt von zweihundert Meilen erreicht hatten, wurden die nun hinderlichen Hubrotoren automatisch in den Rumpfwulst eingezogen. Die kleine Turbine verstummte. Dafür begann das Strahltriebwerk noch vernehmlicher zu tosen. Mit dreihundert Meilen schossen wir durch die Nacht. Als die Geschwindigkeitsbeschränkung endgültig aufgehoben wurde, beschleunigte TS-102 mit wenigstens zwei Gravos auf vierhundert Meilen. Das war die Höchstgeschwindigkeit des Flugschraubers, einer Kombination zwischen einem Starrflügler und einem Hubschrauber.
»Warum so eilig, Kollegin?« fragte ich etwas spöttisch. »Brennt es denn?«
Sie sah mich von der Seite her an. Ein rätselhafter Ausdruck erschien in ihren Augen.
»Wenn der Wunderknabe der Geheimen-Wissenschaftlichen-Abwehr vom Chef persönlich angefordert wird, dann dürfte es wohl brennen.«
Ich sah sie erstaunt an. Mein Gesicht mußte wie ein großes Fragezeichen wirken.
»Ganz recht«, erklärte sie, »mit dem Wunderknaben habe ich Sie gemeint. Wissen Sie nicht, daß der Alte sehr viel von Ihnen hält? Er hat mir einige Hinweise auf Ihr letztes Unternehmen gegeben. Mir ist es sehr lieb, daß ich mit …!«
»Hören Sie auf«, unterbrach ich sie heftig. »In unserer Organisation gibt es etwa fünfhundert aktive Schatten, die den Fall ebenfalls gelöst hätten.«
»Sicher«, stimmte sie mir zu. »Es
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