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Komme, was Wolle

Komme, was Wolle

Titel: Komme, was Wolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gil McNeil
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das Gefühl gegeben, dass ich nicht nur jemand bin, der die ganze Zeit zu Hause hockt und alles in erreichbarer Nähe neu dekoriert und umstellt, während sein Gehirn langsam verdampft. Nicht dass ich je so war, aber ich habe mich manchmal eben so gefühlt. Aber mit dem neuen Haus und dem neuen Laden und neuen Freunden habe ich etwas erreicht. Wenn Mum also glaubt, sie könnte ihr übliches Spielchen von »Ich bin eine ganz besondere und künstlerisch begabte Person und du nicht« spielen, dann wird sie eine kleine Überraschung erleben.

K APITEL ACHT
     
    Stress in Venedig und die Schokoladenorange
     
    Am Heiligabend um vier Uhr nachmittags befinden wir uns in zehntausend Meter Höhe irgendwo über Frankreich. Archie sitzt am Fenster und sieht klein und aufgeregt aus, während er alles mit großen Augen betrachtet, und Jack gefällt sich in der Rolle des lässig-eleganten weltreisenden älteren Bruders, hört sich Harry Potter an – die CD haben wir bei Maggie in der Bücherei ausgeliehen – und wirft gelegentlich heimliche Blicke aus dem Fenster, wenn er glaubt, dass Archie nicht guckt. Ich bin völlig geschafft, aber nach einem großen Gin Tonic und einem Päckchen Cracker ist das Bedürfnis, mit »Lasst mich hier raus! Lasst mich hier raus!«-Schreien durch den Gang zu laufen, nicht mehr so stark.
    Das Essen kommt an, und es ist genauso grauenhaft wie üblich, und dazu noch kochend heiß, aber den Jungs macht es Spaß, sich mit den Plastikmessern Butter auf ihre Brötchen zu streichen. Stewart, unser Flugbegleiter, kommt mit Tee und Kaffee vorbei. Archie lächelt ihn strahlend an und winkt ihm mit einer angebissenen Brötchenhälfte zu.
    »Ich kaue.«
    Stewart zögert eine Sekunde, und der Teebecher verharrt in der Luft, aber da er offensichtlich ein erfahrener Flugbegleiter ist, fasst er sich schnell und fährt fort, mir Tee einzuschenken, obgleich sein Lächeln etwas eingefroren wirkt.
    »Archie, es ist absolut nicht nötig, Leuten zu erzählen, dass du dein Essen kaust, das habe ich dir schon mal gesagt. Das möchten die Leute wirklich nicht wissen.«
    Stewart entspannt sich etwas und stellt den Teebecher auf mein Tablett. »Keine Sorge, Sie würden sich wundern, was Leuten alles so einfällt, wenn sie ihre Tabletts bekommen, Madam. Ehrlich, in diesem Job kann mich nichts mehr überraschen. Möchte er vielleicht noch ein Brötchen?«
    »Das wäre prima.«
    »Bin gleich zurück. Kann es kaum erwarten, es dem Purser zu sagen, er wird begeistert sein.«
    Archie sieht ihn verdutzt an.
    »Wer ist der Purser? Macht er das Geld?«
    »Ja, Schätzchen, genau das macht er. Und herzlich wenig anderes, wenn er es vermeiden kann. Bin gleich wieder da.«
    Nachdem Stewart unsere Tabletts eingesammelt und der Purser, was da ist der Chefsteward, einen kurzen Blick auf den großen Kauer von 25A geworfen hat, ist ein Gang zur Toilette angesagt, die für Archie der absolute Hit ist. Er liebt es besonders, mitten beim Pinkeln die Spülung zu betätigen, um zu sehen, ob er aus der Toilette nach draußen in die Wolken gesaugt wird, nur für den Fall, dass der Weihnachtsmann schon mal seinen Schlitten ausprobiert.
    »Nicht noch einmal, Archie.«
    »Okay, aber es wäre toll, nach draußen zu kommen.«
    »Nein, wäre es nicht, es wäre sehr kalt.«
    »Ich könnte meine Kapuze aufsetzen.«
    Ich bin mir ziemlich sicher, die Kapuze deines Sweatshirts gegen die Kälte wäre deine geringste Sorge, wenn du dich auf der falschen Seite des Notausgangs in zehntausend Meter Höhe wiederfändest, aber ich möchte ihm keine Angst machen, und außerdem sind jetzt die Knöpfe am Waschbecken an der Reihe, und wenn ich nicht aufpasse, habe ich am Ende noch ein klatschnasses Hosenbein.
    Als wir wieder unsere Sitzplätze einnehmen und endlose Runden Tier, Gemüse oder Mineral spielen, trocknen meine Hosen langsam. Und dann kündigt der Kapitän an, dass wir mit dem Landeanflug beginnen. Jack überprüft, ob sein Sitz auch wirklich in der aufrechten Position ist, begleitet von dem missbilligenden Schnauben des Mannes hinter uns, der wirklich allen Grund hätte, sich zurückzuhalten. Seine Tochter stand nämlich fast den gesamten Flug über auf dem Sitz, um uns mit ihrer nervtötenden nasalen Stimme die Kabarettnummer »Ich bin ein ganz wahnsinnig begabtes Kind« vorzuführen. Bestimmt wurde von uns allen erwartet, dass wir Beifall klatschen und uns wünschen, ein so wunderbares Kind zu haben, aber ich glaube nicht, dass ich mit dem Wunsch allein

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