Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
hingewiesen hatte, wie hypothetisch oder unwahrscheinlich sie auch immer zu sein schien. Außerdem fiel ihm selbst auch nichts Besseres ein.
Kurz vor halb drei bog er also in den neuen Kreisverkehr, der auf die Autobahn Richtung Malmö zuführte, ein. Das kleine Metallgerät aus Sten Anderssons Wohnung rutschte in der Kurve auf dem Rücksitz zur Seite, und Hill fragte sich, ob die Entstehung dieses Gegenstands wohl mit kriminellen Machenschaften zu tun hatte.
Bernard Valmera kamen wirklich ernsthafte Bedenken.
Die Dinge hatten eine ganz andere Wendung genommen, als man ihnen in Riga beim Einschiffen auf der heruntergekommenen Fähre Richtung Schweden vorgegaukelt hatte.
Damals war es darum gegangen, am Überfluss des reichen Nachbarn teilzuhaben. Sie wollten den Honig und das Manna einsammeln, das ohnehin ständig auf das schwedische Volk herabregnete. An sich war ihm das wie ein vernünftiges Unternehmen vorgekommen. Denn wer sich nicht an diesem Überfluss bediente, der konnte wirklich nicht ganz bei Trost sein.
Aber von Mord war da nicht die Rede gewesen.
Irgendwo waren die Geschäfte mit Alexej Igorin aus dem Ruder gelaufen. Und wer würde die Rechnung bezahlen, wenn nicht seine getreuen Handlanger? Denn wer hatte Alexej Igorin, den Marodeur vom Baikalsee, auch nur gesehen, geschweige denn von ihm gehört?
Niemand!
Aber ihn, Bernard Valmera, kannte man, und außerdem den Grünschnabel Adrian Remis und den Jugoslawen Stoján Stefanis. Man kannte ihre Namen und man wusste, wie sie aussahen.
Solange es nur darum ging, Geld einzusammeln, das ohnehin keinem so recht gehörte, war das Risiko tragbar. So war das Leben, und von nichts kam nichts, dessen war er sich bewusst. Aber sogar in Schweden bekam man für Mord zehn Jahre Gefängnis!
Dann wäre Jalinka fünfzehn Jahre alt.
Jalinka, die er über alles liebte, das Licht seines Lebens und die Freude in seinem Herzen.
Die Tochter, von der er nie geglaubt hatte, dass er sie einmal bekommen konnte.
Das sternenäugige Menschenkind, deretwegen er sich bis hierher gewagt hatte, um ihr eine annehmbare Zukunft zu schaffen, und zu der er auf jeden Fall zurückkehren wollte.
Nein, die Zusammenarbeit mit diesem großkotzigen Russen in Malmö hatte allerdings eine unerwartete Wendung genommen. Und das unvorhersehbare Risiko mit sich gebracht, dass er Jalinka vielleicht nicht wiedersehen würde, ehe ihn die Zeit für sie zu einem Fremden gemacht hatte, zu einem unerwünschten alten Mann, einem Klotz am Bein.
Bernard fragte sich, ob die anderen das wirklich nicht begriffen – ob sie einfach nicht verstanden, was sie da taten?
Sie hatten sich die schwedische Offenheit zu Nutze gemacht, und das war leichter gewesen, als irgendjemand hätte vermuten können. Ohne größere Schwierigkeiten holten sie Angaben von ahnungslosen Behörden, Gläubigern und Arbeitgebern ein. Erstaunlich wenig Schauspielkünste waren erforderlich gewesen, damit sich die viel gerühmte Verschwiegenheit in Luft auflöste und man sogar Ausländern außerordentliche Einblicke gestattete.
Viele waren sogar erstaunlich entgegenkommend. Sogar dienstbeflissener als sie dem gegenüber gewesen wären, um den es ging. Man musste nur eine gehörige Portion Einfühlungsvermögen, Talent und übertriebene Unterwürfigkeit an den Tag legen. Je nachdem, was gerade am Besten passte.
Es war das reinste »Sesam öffne dich«. Alles wurde offen gelegt, und sie näherten sich unaufhörlich den gefährlichen Wahrheiten über die Mitglieder des Systems.
Und Alexej hatte natürlich vollkommen Recht. Sten Andersson war durchaus nicht der Einzige gewesen, der seine Chance genutzt hatte. Es war naiv gewesen, das überhaupt nur zu glauben. Gib Leuten die Möglichkeit, und sie werden sie früher oder später ausnutzen.
Genau wie sie selbst es gemacht hatten, als sie hergekommen waren.
»Und was machen wir, wenn es brenzlig wird?«, fragte Bernard bekümmert.
»Wie bitte?«, wollte Adrian wissen, ohne von den Listen aufzuschauen.
Bernard packte ihn an den Schultern und riss ihn im Stuhl herum. Adrian musste man zwingen, zuzuhören.
»Ich habe gesagt, was tun wir, wenn uns die schwedische Polizei auf die Spur kommt? Wenn sie hinter uns her sind, und wenn man uns vielleicht sogar steckbrieflich sucht?«
Adrians Erstaunen wurde von einem höhnischen Grinsen abgelöst.
»Ach so, du bekommst es jetzt wohl mit der Angst zu tun, du halbfinnischer Idiot? Gib jetzt endlich Ruhe, verdammt noch mal, und stör uns nicht
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