Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
weiter bei der Arbeit.«
Gerade legte Stoján am anderen Ende des Zimmers den Hörer auf und wandte sich ihnen interessiert zu. Bernard verstummte. Er mochte diesen Jugoslawen nicht. Es spielte keine Rolle, wie lange er in seinem Land und Beruf gearbeitet hatte – Jugoslawen waren einfach schlechtere Leute und würden es bleiben.
Bernard hegte Vorurteile gegenüber Stoján, Adrian hielt Bernard sein finnisches Blut vor, und Stoján verachtete hauptsächlich Bernard, aber zweifellos auch Adrian, weil sie aus dem Baltikum stammten. Und Alexej Vladimir Igorin verachtete sie alle drei. So einfach war das.
Adrian und Stoján fuhren mit ihrer Beschäftigung fort. Sie erkundigten sich und verglichen dann die Auskünfte, die sie bereits erhalten hatten. Schließlich legte Adrian alle Papiere auf einen Stapel, streckte die Arme hoch, um sich zu entspannen, und schob den Stuhl vom Schreibtisch zurück.
Scheinbar planlos ging er auf die Küche dieser schäbigen Wohnung, die sie vorübergehend in Eslöv gemietet hatten und die ihren Stützpunkt darstellte, zu. Die Wohnung war womöglich noch armseliger als die, in der Sten Andersson gewohnt hatte, und der Platzmangel machte ihnen zu schaffen. Sie gingen sich mit jedem Tag mehr auf die Nerven.
Als Adrian an Bernard vorbeiging, flüsterte er säuerlich:
»Fahr nach Hause, Valmera, falls du den Druck nicht aushältst. Hier rafft man in einem einzigen Jahr mehr zusammen, als die Besten von uns in einem Leben in Riga verdienen können. Also halt die Schnauze oder verschwinde!«
»Aber jetzt geht es um Mord!«, fauchte Bernard. »Nicht Schutzgeld, nicht Zuhälterei, sondern das große M!«
»Na und?«, fragte Stoján hinterhältig von der anderen Seite des Zimmers.
Bernard starrte ihn an, musste dann aber dem stahlblauen Blick ausweichen, der von der hinteren Grenze der Mongolei bis zur Unterwelt Prags so gut wie alles gesehen hatte.
»Und außerdem«, fuhr Adrian mit unverhohlener Schadenfreude fort und schlug mit der einen Hand auf den dicken Ordner, »haben wir wieder eines von diesen Schweinen gefunden, dieses Mal in Landskrona.«
Bernard fühlte sich machtlos.
Es würde nicht lange dauern, bis sie das nächste Exempel statuierten.
Nach zehn Minuten kam Joakim Hill an der Raststätte Skånerasten und an den Gräben aus der Bronzezeit auf der Anhöhe von Glumslöv vorbei, und von dort aus bot sich ihm eine großartige Aussicht nach Süden. Vom Gipfel konnte man Landskrona, Lund und bis hinunter nach Malmö mit dem riesigen Kran auf der Kockumswerft sehen, und sogar hinüber nach Kopenhagen.
Bergab wechselten grünende Äcker und üppige Gehölze einander ab, und schließlich breitete sich hinter der südlichen Abfahrt nach Landskrona die Ebene Schonens aus.
Dieses Stück der Autobahn erweckte in ihm immer das merkwürdige Gefühl, auf Schienen zu fahren. Er wusste nicht recht warum, denn die Landschaft war ziemlich abwechslungsreich. Zwischen den zartgrünen Äckern und den Laubwäldern erstreckten sich Weiden bis an den blauen, funkelnden Sund, auf denen das für diese Gegend typische Vieh weidete. Und doch war die Strecke wie die gesamte Ebene Schonens so gleichförmig, dass er fast Lust bekam, ein Nickerchen hinter dem Steuer zu halten.
Sicherheitshalber schaltete er das Autoradio ein und geriet mitten in eine hitzige Debatte über das Für und Wider der Öresundbrücke. Die Gemüter waren so in Rage, dass die Diskussionen selten etwas Vernünftiges ergaben.
Entweder liebte man den Gedanken an diese enorme Betonverbindung mit dem Nachbarland im Westen oder man verabscheute ihn. Dazwischen gab es nichts, es gab niemanden, dem die Sache vollkommen gleichgültig gewesen wäre.
Argumente wurden ständig miteinander verglichen, und die der einen Seite wirkten gelegentlich ebenso einleuchtend wie die der anderen. Bei beiden Seiten ging es um die Wirtschaft, die Umwelt und die Entwicklung, aber Hill hatte den Verdacht, dass die ganzen Streitereien eher von Gefühlen gelenkt wurden.
Das eine Lager konnte sich nicht vorstellen, dass das Land unwiderruflich mit dem übrigen Europa verbunden wurde, und das andere weigerte sich, durch ein klägliches Gewässer von der neuen großen Gemeinschaft im Süden getrennt zu bleiben.
Und so gab es endlose und unnötige Diskussionen in den Massenmedien, während der Brückenbau unbehelligt voranschritt.
Immerhin hielt ihn die Diskussion wach, bis er Lund erreicht hatte, wo er sich mit einem ganz anderen Problem herumschlagen
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