Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
weniger als hundert Meter von den heiligen Gräbern der bronzezeitlichen Häuptlinge Treibstoff und Junkfood an Reisende abgegeben wurden. Genau so waren das Leben und die Geschichte – voll seltsamer Umstände.
Auch an diesem Tag schien die Nachmittagssonne milde auf die Insel Ven, die der Astronom Tycho Brahe und der Dichter Gabriel Jönsson so geliebt hatten. Wie eine Märcheninsel lag Ven mitten im blau schimmernden Sund, verführerisch nahe und doch unerreichbar, was sie gar nicht war, denn tagsüber bestand eine regelmäßige Fährverbindung. Und doch schien die Insel romantisch fern. Obwohl Hill nicht übermäßig religiös war, konnte er nicht anders, als die höheren Mächte preisen, dass er das Los gezogen hatte, genau jetzt an dieser Stelle zu sein.
»Das Los?«
Er sprach das Wort noch einmal aus, an das er in seiner Ergriffenheit beim Anblick der Natur gerade gedacht hatte.
Das Los! Das war’s!
Wie ein Schock eröffnete sich ihm jetzt das Fazit seiner Gedanken, das sich ihm auf der Tankstelle in Landskrona ärgerlicherweise immer wieder entzogen hatte.
Es war das Los – Trissbingo oder wie es nun immer hieß –, das jemand in die Kante des Kassentisches gesteckt hatte und an das er sich nicht mehr hatte erinnern können!
Erst hatte er angenommen, dass es lag, wo es lag, weil das den Ordnungssinn des Inhabers spiegelte. Dabei hatte er es bewenden lassen. Aber wenn es nun das Los war, das sie gesucht und dann nach dem Mord verloren hatten! Wenn …?
Es gab nur eine Art, das herauszufinden. Er rief bei der Polizei von Landskrona an und bat darum, mit Holmgren verbunden zu werden. Egal, wo dieser sich befinde.
»Ja, hier Holmgren?«
»Hallo. Hier ist noch einmal Hill.«
»Ja?«
An Holmgrens Freude darüber, dass er so bald wieder Hills Stimme hörte, war nicht zu zweifeln.
»Es ist mir gerade was eingefallen. Ich hoffe, ich störe nicht.«
Als Holmgren nach einer Weile antwortete, klang seine Stimme etwas gezwungen.
»Nein, kein Problem.«
Hill wünschte sich, sie hätten eine bessere Verbindung, denn es rauschte fürchterlich.
»Habt ihr dieses Los an euch genommen?«, erkundigte er sich.
»Wir haben keins gefunden. Das hab ich doch gesagt!«
»Nein, nein, nicht dieses Los. Ich meine ein anderes – das neben der Kasse. Unten in die Leiste geklemmt.«
Verdammte Verbindung, es war kaum ein Wort zu verstehen! Es rauschte nicht nur, es toste, es klang wie ein verdammter Wasserfall!
»Ich habe nicht die Zeit, noch mal zurückzufahren, verstehen Sie«, fuhr Hill fort. »Aber wenn Sie das noch mal überprüfen könnten, dann rufe ich später aus dem Büro wieder an.«
»… gut«, antwortete Holmgren.
»Entschuldigung, ich habe kein Wort verstanden. Was machen Sie da eigentlich?«
»Ich habe gesagt, das geht in Ordnung! Und wenn Sie’s wirklich wissen wollen, bitteschön!«
Mit Hochgenuss betätigte Holmgren die Wasserspülung und ließ die Wassermassen durch die Klosettschüssel rauschen.
Hill verstand die Botschaft genau.
Der Terminator hatte sich bereits an Ort und Stelle befunden, als Ulf Gårdeman bei dem Clublokal in Lönnarp eingetroffen war.
Mit eisernem Willen und außerdem äußerst geschäftstüchtig führte der Terminator die Rockerbande namens Gangsters. Wie ein mittelalterlicher Machiavelli herrschte er über ein expandierendes Reich zweirädriger Soldaten. Er wusste, wann man nachgeben und wann man die blanken – oder in ihrem Fall geladenen – Waffen ziehen musste.
Geschickt hielt er seine Mannschaft unter Kontrolle und sorgte gleichzeitig dafür, dass sie mit ihrem Dasein unter seiner Regentschaft zufrieden waren. Jede interne Missfallensäußerung leitete er geschickt um, sodass sie sich gegen den rivalisierenden Club der Outlaws in Klippan richtete, einige Dutzend Kilometer entfernt.
Der Terminator war ein Mann, mit dem sich niemand so recht anlegen wollte.
Aber jetzt war er offenbar trotzdem mehr als verärgert. Mit verzerrtem Mund stand er da und zupfte an seinem roten Schnurrbart, während sein breiter Brustkorb mit jedem heftigen Atemzug seine Lederweste anschwellen ließ.
Er und die Kerntruppe seiner Burschen auf zwei Rädern waren offenbar von einem Planungstreffen in der Nachbargemeinde herbeigeeilt, als sie von der Explosion auf dem Hof des eigenen Clublokals gehört hatten. Was geplant worden war und die Anwesenheit der gesamten Haupttruppe erfordert hatte, wollte er allerdings absolut nicht preisgeben, als er eintraf.
Jetzt stiefelte er
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