Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
Reederei sicherzustellen. Rasch kam sie mit der Quittung zurück, um diese unterschreiben zu lassen.
Catharina nahm sich nicht die Zeit zu kontrollieren, ob die Summe stimmte. Sie hatte jetzt keine Lust, sich damit auseinanderzusetzen. Wie um sich für die Dummheit zu entschuldigen, an diesem Abend überhaupt hergekommen zu sein, gab sie der Kellnerin noch zwanzig Kronen Trinkgeld extra.
Dann entschloss sie sich jedoch, sicherheitshalber bei der Herrentoilette nachzusehen, ehe sie an Land ging. Es gab schließlich hin und wieder akute Magenbeschwerden, und eine minimale Chance bestand, dass sich alles so erklären ließ. Aber daran glaubte sie eigentlich nicht einmal selbst.
»Vielen Dank und beehren Sie uns bald wieder«, sagte die Kellnerin.
»Danke,« Catharina lächelte höflich und erhob sich vom Tisch, »das Essen war wirklich sehr gut.«
»Jedenfalls zu Beginn«, murmelte sie halb laut auf dem Weg zur Garderobe.
Hill spürte das kalte Wasser im Gesicht. Es brachte ihn in die qualvolle Wirklichkeit zurück.
Das Auge war halb zugeschwollen, und er sah nur noch undeutlich durch den blutrosa Nebel. Die Nase war geschwollen, und er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Das war eigentlich nicht verwunderlich, denn das Blut war mit dem Rotz zu einem dicken, dichten Schleim geronnen. Und als er versuchte, durch den Mund zu atmen, liefen ihm Blut und Speichel von den Lippen.
»Was … wollen … Sie …?«
Kraftlos wischte er sich mit dem Ärmel seines Jacketts über den Mund.
»Was zum Teufel wollen Sie? So sagen Sie es doch endlich!«
Der Kleine war ihm jetzt ganz nahe. Unbehaglich nahe. Er packte Joakim mit festem Griff am Kragen und zog ihn hoch.
»Was wir wollen? Denken Sie nach, Hill! Denken Sie nach!«
Joakim roch seinen stark gewürzten Atem. Es war seltsam, dass ihm so etwas noch auffiel trotz seiner vollkommen verstopften Nase und trotz seiner Schmerzen und seiner Demütigung. Aber er registrierte deutlich den Duft von Knoblauch.
»Wir wollen, dass Sie aufhören, Hill«, sprach der Mann mit dem gelichteten Haar.
Jetzt dämmerte Joakim Hill endlich, worum es ging. Er rang nicht mehr nach Luft, der Atem stockte ihm, als er einsah, in wessen Gesellschaft er sich befand.
»Wir wollen, dass Sie die Ermittlungen einstellen, die Spuren verwischen und den Fall abschließen.«
Bernard schlug ihm mit der Rückseite der Hand auf die Wange, um den Ernst seiner Worte hervorzuheben. Dieses fast unschuldige, rasche Unterstreichen ließ ihn Sterne sehen.
»Verwisch die Spuren«, fuhr sein Quälgeist fort, »sonst verwischen wir deine Spuren. Verstanden?«
Hill stand der Schweiß auf der Stirn. Jetzt war er hellwach und versuchte, jedes Detail in seinem Gedächtnis zu speichern. Lächerliche Sachen, unwesentliche Sachen und relevante Fakten in einem munteren Durcheinander. Wie das so seine Art war.
Er betrachtete den Langen, merkte sich seine markanten Gesichtszüge, seine Haarfarbe, Größe, Kleidung. Danach versuchte er sich das Aussehen des Jungen mit den helleren Haaren einzuprägen.
Auf einmal fiel ihm auf, dass der Seifenspender leer war.
Immer das Gleiche!
Die Seife ging stets zur Neige, wenn …
»Verstanden, Bulle?«
Hill antwortete nicht. Aber er merkte sich den Akzent und spuckte Bernard seinen mit Blut gemischten Speichel zwischen die Augen.
»Pfui Teufel, verdammte Sauerei! Stoján! Kümmer dich …!«
Bernard warf sich zur Seite und wischte sich angeekelt die Augen mit dem Ärmel. Das schöne weiße, ordentlich gewaschene Kleidungsstück aus der Kleiderkammer für das Personal war bereits mit dem Blut des Polizeibeamten befleckt, also war es sowieso egal.
Stoján – ganz offensichtlich hatte er doch Stoján gesagt?
Hill hoffte, dass er sich auch daran würde erinnern können.
Da traf ihn das Eisenrohr im Bauch. Genau in den Solar plexus. Er verlor das Bewusstsein im selben Moment, in dem er merkte, dass das halb verdaute Abendessen auf dem Weg nach oben war.
Bereits als Catharina ein paar Herren zur Toilettentür eilen, an der Klinke rütteln, die Tür wütend anstarren und beidrehen sah, hatte sie den Eindruck, dass etwas nicht stimmte.
Was war hier eigentlich los?, fragte sie sich. Warum gingen sie nicht auf die Toilette?
Sie drängte sich an einem schlafenden Gast der Bar vor dem Restaurant vorbei. Offenbar fand er es bequem, auf dem kleinen Tisch, die Beine um die Stuhlbeine geschlungen, zu schlafen.
Zwei jüngere Männer und eine Frau mittleren Alters, die
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