Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
Gegenleistung für eine kleine Weile zu vertreten.
Das Einzige, was ihm wirklich Schwierigkeiten bereitete, war der Umgang mit dem Afrikaner.
Enduro Babele hielt sich jetzt den zweiten Tag in Folge im Präsidium auf und wartete genauso geduldig wie schon seine Vorfahren vor Tausenden von Jahren. Einen Anlass zum Warten hatte es immer gegeben: auf Regen, auf die Ernte – oder letztlich auf Gerechtigkeit. Und so hatte sich die Fähigkeit, ganz einfach abzuwarten, über Generationen hinweg weitervererbt; Enduro bildete in dieser Hinsicht nicht die geringste Ausnahme.
Gestern Nachmittag war es seinem Empfinden nach im Foyer ziemlich chaotisch zugegangen. Er hatte nicht ganz genau verstanden, um was es im Einzelnen ging, doch fand er es spannend. ›Großeinsatz‹ hatte er aufgeschnappt, und das in diesem nüchternen, sonst so friedlichen Land. Völlig untypisch für die Gewohnheiten der Schweden war man im Eingangsbereich hektisch hin und her gelaufen und hatte keine Zeit für ein Anliegen wie das seine erübrigen können.
Aus diesem Grund hatte er auch in den darauf folgenden Stunden nicht die Möglichkeit erhalten, mit jemandem zu sprechen, so dass er schließlich höflich »Sehr gute Nacht« gesagt und das Präsidium ungefähr mit Büroschluss verlassen hatte.
Am nächsten Morgen stand er jedoch wieder pünktlich um acht Uhr mit seinem blendend weißen Lächeln auf der Schwelle zum Foyer, um mit souveräner Selbstsicherheit im selben Besucherstuhl Platz zu nehmen und sein Warten fortzusetzen.
Enduro fühlte sich inzwischen richtig wohl bei der Polizei. Er hoffte zwar, dass er seine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung so bald wie möglich erhalten würde, doch selbst danach würde er öfter hierher zurückkehren – zu seinen Freunden im Polizeipräsidium.
Wenig Ahnung hatte er allerdings davon, dass der Terminus ›so bald wie möglich‹ innerhalb der schwedischen Bürokratie einen willkürlichen Zeitraum von ungefähr drei Monaten bis zu fünf Jahren umfasste. Unter gewissen Umständen auch noch länger.
Jetzt saß plötzlich ein anderer Polizist hinter dem Informationstresen, und er erschien ihm in der Tat etwas überfordert. Als wäre er nicht ganz so vertraut mit der Arbeit wie der vorherige – der richtige Chef. Doch Enduro tat sein Bestes, um den großen blonden Mann hinter der Glasscheibe aufzumuntern. Er setzte sein allerfreundlichstes Lächeln auf und streckte in einer optimistischen Geste seinen dunkelbraunen Daumen in Richtung Decke, sobald sich ihre Blicke trafen.
Sahlman, der sich mit der Bedeutung afrikanischer Gebärden nicht auskannte, kam unweigerlich der Gedanke, ob er jetzt vollends von bösen Mächten heimgesucht würde.
Erst Gespenster und nun das! Was würde ihm als Nächstes widerfahren?
Der Anruf von Linda erschien ihm fast wie eine Erlösung.
In der Innentasche seines Jacketts begann es auffordernd zu piepsen, und sicherheitshalber hatte er zusätzlich die Vibrationsfunktion eingestellt. Sahlman rief Joansson über Intercom aus dem Archiv zurück und warf sich den Mantel über, noch bevor dieser die Treppe hochkam. Er trat hinter dem Tresen hervor, um losspurten zu können, sobald die Ablösung erschien und stampfte bereits ungeduldig mit den Füßen auf den Boden.
Enduro Babele war gespannt, was nun wieder passieren würde, und stand ebenfalls auf. War er vielleicht endlich an der Reihe? Er näherte sich dem großen blonden Polizisten mit der exklusiven Kleidung.
»Is it time now?« ,fragte er voller Hoffnung. »We can go … upstairs?« .
Er zeigte nach oben und meinte damit die hochheiligen Säle der Entscheidungsfindung in der Abteilung für Ausländerfragen.
»Wie bitte?«
Sahlman starrte den Afrikaner verständnislos an, bis es ihm endlich dämmerte.
»Nein, nein. No time! Please sit down and wait. «
»But you will go now yourself?« ,fragte Enduro interessiert.
»Yes! «
»Where? To catch a thief?«
Sahlman konnte nicht umhin, die aufrichtige Offenheit des Schwarzen zu schätzen. Er war neugierig und versuchte es nicht im Mindesten zu verbergen. Geradezu erfrischend!
In diesem Augenblick kam Joansson schnaufend die Treppe hoch und nahm seinen Platz hinter dem Informationstresen wieder ein. Sahlman überließ ihm dankbar jegliche weitere Verantwortung und verwies Enduro mit einer charmanten Geste in Richtung des Glaskastens, während er selbst sorgfältig sein Halstuch unter dem Kinn knotete.
Endlich Zeit für ein bisschen action!
»No, not to catch a
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