Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
staksigen Mädchenbeinen weiter die Straße entlang und überließen ihn seinen leuchtend bunten Süßigkeiten.
Zum Glück hatten sie keine Ahnung, welchen Beruf er ausübte! Er hatte ja nicht im Traum gedacht …!
Um sich irgendwie abzulenken, begutachtete er ausgiebig die verführerische Verpackung, während die Röte langsam aus seinem Gesicht wich. Er öffnete eine der knisternden Folien und betrachtete den Weihnachtskuss näher.
Dieser entpuppte sich als ein appetitliches, etwas ungleichmäßiges, selbst gefertigtes Schokoladenpraliné mit einer geheimnisvollen Füllung, das unheimlich lecker aussah! Hill hatte Lust, es sofort in den Mund zu stecken, hielt sich jedoch zurück. Nach dem peinlichen Erlebnis von eben erschien ihm der Genuss fast unmoralisch. Also steckte er beide Küsse in die Jackentasche, die nicht mit Wechselgeld angefüllt war, und ging zurück zum Auto.
Doch dieses merkwürdige Gefühl wurde er nicht los.
Das Gefühl, als hätte die Lex Bäcker entgegen seiner Überzeugung doch funktioniert, und er hatte tatsächlich etwas Wichtiges, vielleicht sogar Entscheidendes hier in Råå entdeckt.
Die Frage war nur – was?
14:29:55
Der Alarm von Linda Persson kam früher als erwartet. Es war gerade erst halb drei.
Sahlman war verwundert, aber dennoch vorbereitet. Er hatte seine Vorgehensweise bereits mit Joansson abgesprochen, der seinerseits natürlich aufs Lebhafteste protestiert hatte.
»Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass du dich alleine dort hinbegibst, Knut«, hatte er empört vorgebracht. »Du weißt genauso gut wie ich, wie die Dienstvorschrift lautet! Ein Polizist startet niemals eine Fahndung auf eigene Faust – insbesondere dann nicht, wenn es sich um eine Täterergreifung handelt.«
»Aber wenn ich das hier nicht alleine erledige, wird es nie funktionieren!«, wandte Sahlman ein.
»Funktionieren und nicht funktionieren!«, schnaubte Joansson beinahe philosophisch.
»Genau so ist es aber. In diesem Fall habe ich praktisch keine andere Wahl, als mich allein auf den Weg zu machen. Es lässt sich aufgrund der besonderen Beschaffenheit der Festung nicht anders planen, und natürlich hängt es sowohl mit der Natur des Verbrechers als auch des Verbrechens an sich zusammen.«
»Es ist in jeder Hinsicht völlig unverantwortlich!«
»Aber versetz dich doch mal in die Lage des Museumspersonals«, beharrte Sahlman. »Wir müssen dafür sorgen, dass die Angestellten so bald wie möglich wieder sichere Arbeitsbedingungen erhalten!«
»Es gibt keine so genannten ›sicheren Arbeitsbedingungen‹, das solltest du wohl am besten wissen. Das da draußen gleicht einem Dschungel!«, konterte Joansson wie in einem schlechten Dialog einer amerikanischen Polizeiserie.
»Ach komm schon! Für uns vielleicht. Aber für das Museumspersonal? Bestimmt nicht!«, gab Sahlman zurück und machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. »Du siehst entschieden zu viel fern, Joansson. Das bekommt dir gar nicht gut. Am Ende gruselt es dir noch vor deinem eigenen Schatten.«
Doch Joansson wollte sich nicht so leicht geschlagen geben, und Sahlman musste große Überzeugungsarbeit leisten, um ihn umzustimmen.
»Außerdem befinden sich die Mitarbeiter des Museums ja während der ganzen Zeit unten im Foyer. Sie können euch doch alarmieren, wenn etwas … schief gehen sollte.«
»Es darf nichts schief gehen!«, prägte Joansson ihm mit scharfer Stimme ein und schaute ihn dabei böse über den Rand seiner Lesebrille an, als gälte es, ihm auf diese Weise die Bedeutung seiner Ermahnung regelrecht einzubläuen.
Sahlman war ein routinierter Fahnder, der wusste, dass es manchmal notwendig war, sich die Vorschriften ein bisschen zurechtzubiegen, wie man hin und wieder oben in der Verwaltung zu sagen pflegte.
»Bedeutet das okay?«, vergewisserte sich Sahlman und hoffte, dass die Diskussion endlich zu seinen Gunsten entschieden wäre.
»Vielleicht.«
»Was heißt vielleicht?«
»Wenn du dich einen Augenblick lang für mich an die Rezeption setzen würdest? Ich müsste einige Angaben unten im Archiv überprüfen.«
»Abgemacht!«
Am Vormittag war es im Präsidium hektisch zugegangen. Bedingt durch die extrem schlechte Wetterlage waren viele Beschwerden bezüglich ungestreuter, spiegelglatter Gehwege, Eiszapfen, die lebensgefährlich von Dachrinnen hingen, und dergleichen eingegangen. Doch Sahlman, der in seiner polizeilichen Laufbahn schon einiges erlebt hatte, war damit einverstanden, Joansson als
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