Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
eigentlich mit der Lex Bäcker auf sich? Du wolltest es mir doch gestern erzählen«, fragte Gårdeman am nächsten Vormittag noch etwas matt.
»Es ist etwas, dass du dir vielleicht selbst hättest zu Herzen nehmen sollen. Nämlich verdammt genau hinzuschauen«, antwortete Hill von seinem Besucherstuhl am Krankenhausbett aus.
Gårdeman grinste vorsichtig.
»Auch wenn einem die Dinge auf den ersten Blick wohl bekannt und ziemlich ungefährlich vorkommen«, fügte Hill hinzu und hob ermahnend den Zeigefinger in Richtung seines bettlägerigen Kollegen.
»Der Goretex-Overall war schuld!«, wandte Gårdeman ein.
»Der Goretex-Overall?«
Der Kollege war ganz offensichtlich noch nicht so ganz von den Nachwirkungen seiner Narkose befreit, wie Hill angenommen hatte. Lag er jetzt etwa da und fantasierte?
»Ja, genau«, beharrte Gårdeman, wobei ein unverkennbares Leuchten in seine Augen trat, »die neuen Uniformen sind eben nur fast perfekt. Sie sind zwar leicht, regenundurchlässig, wärmespeichernd und angenehm zu tragen, aber leider nicht schusssicher!«
Er versuchte, zurückhaltend über seinen kleinen Scherz zu lachen. Der Kies, der ihm ins Gesicht gespritzt war, hatte unschöne Wunden auf seiner Haut hinterlassen, die sein Lächeln ziemlich absurd aussehen ließen – in etwa so, als sei Frankenstein persönlich von den Toten auferstanden. Doch der Arzt hatte ihm versichert, dass der entstellende Schorf in ungefähr zehn Tagen abgeheilt sein würde.
Schlimmer war es allerdings mit der Operationsnarbe am Bauch. Sie spannte und verwandelte sein Lächeln in eine schmerzverzerrte Grimasse. Der Arzt hatte ihm geraten, ein kleines Kissen gegen den Bauch zu drücken, um die Anstrengungen des Hustens oder Lachens zu mildern, woraufhin Lena gleich eins von zu Hause mitgebracht hatte. Der Bezug war mit einem Pinguin versehen, und Gårdeman hatte schon jetzt das Gefühl, dass Joansson es unglaublich witzig finden würde. Wahrscheinlich würde er von nun an im Präsidium nur noch Pinge genannt werden.
Doch was spielte das schon für eine Rolle – das einzig Wichtige war, dass er LEBTE! Jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, jubelte er innerlich vor Freude, wenn er bedachte, wie äußerst knapp er mit dem Leben davongekommen war!
Hill ersparte ihm die Mühe zu sprechen und erzählte ihm stattdessen, wie die Geschichte draußen in Ramlösa zu Ende gegangen war. Er erklärte seinem Kollegen, wie all das, was in den letzten Tagen bereits wie auf einer passiven Datenbank in ihren beiden Köpfen gespeichert war, in dem Moment begann, zusammenzupassen, als Nane sein Bekenntnis ablegte und ihm damit den Schlüssel zum Rätsel lieferte. Und wie er sich angesichts der Worte wie auf einer Rutsche durch Zeit und Raum plötzlich in Gedanken in der weihnachtlich herausgeputzten Hauptstraße in Råå befand. Sein Unterbewusstsein hatte sofort begonnen, die Puzzleteile, die ihm dort begegnet waren, nach der Methode zusammenzufügen, die ihm der legendäre Fahnder aus Lund mit auf den Weg gegeben hatte.
Vor seinem inneren Auge tauchten die verfrorenen jungen Mädchen an der Bushaltestelle auf. Ein Junge würde nie auf die Idee kommen, sich von seinem Vater Klamotten zu leihen. Die Blöße würde er sich nicht unbedingt geben. Doch Mädchen waren da anders. Sie liehen sich gerne die Sachen der Eltern, je nachdem, was sie gerade schick fanden, zum Beispiel einen Pelzmantel.
Es passte perfekt in Malin Nilsmeds Pläne, sich für die langen Stunden ihres Spionierens vor dem Haus von Anne Smitt den warmen Pelz ihrer Mutter auszuleihen.
Gleichzeitig musste Hill an die weihnachtlich geschmückten Körbe der Mädchen denken, die mit charmanter Verschlagenheit ihre Weihnachtsküsse feilgeboten hatten.
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Vielleicht hatte Malin genau denselben Spruch an die hochschwangere Freundin ihres Vaters im mitternachtsblauen Mitsubishi gerichtet, um sie zum Verzehr des Giftes zu bewegen?
Und Anne hatte Malin natürlich erkannt, ohne jedoch ihre Absichten zu ahnen. Es hätte ja sein können, dass sie sich durch ihre unerhebliche Freigebigkeit ein wenig goodwill bei der Tochter ihres Liebhabers zu erkaufen gedachte. Oder vielleicht fand sie auch einfach nur die Idee witzig.
Wie auch immer folgte auf diese Vision die Einsicht, dass nun vermutlich Berit Nilsmed die Nächste wäre, die das letzte der heimtückischen Pralinés würde probieren dürfen.
Nane hatte
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