Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
Hinterbeine und legte bettelnd seine Pfoten auf Hills Schultern, wobei er ihm tief in die Augen sah.
Hill lachte verlegen, was der Hund als Zeichen wertete, ihm die Ohren schlecken zu dürfen.
»Bei Fuß! Sitz, Casper, sitz! Was sind das für Dummheiten, schäm dich!«
Die Stimme des Hausherren bellte, und der Hund gehorchte mit hängenden Ohren.
Hill trocknete sich geniert die Wange.
»Haben Sie noch ein weiteres Anliegen, meine Herren?«, fragte Direktor Nilsmed mit derselben eiskalten Stimme, die sie durch die Sprechanlage vernommen hatten und die nun bewirkte, dass es hier drinnen bedeutend kälter schien als draußen.
»Nein, im Augenblick nicht«, antwortete Hill. »Doch wenn neue Fragen auftreten sollten, hoffe ich, dass wir erneut auf Sie zukommen können.«
»Zu hoffen steht bekanntlich noch jedem frei«, antwortete Direktor Nilsmed sarkastisch.
Als er sich anschickte, die Tür hinter ihnen zu schließen, erschien ein merkwürdiger Zug um seinen Mund. Er war schwer zu deuten, konnte jedoch alles und nichts ausdrücken. Von der Möglichkeit, dass er sich kaputtlachen würde, sobald sie um die Ecke bogen, bis dahin, dass er seine perfekt gebügelten Hosen mit hemmungslosen Tränenströmen tränken würde.
Die Einzigen, die es erfahren würden, waren die Frau auf dem Sofa und der Hund.
Stoisch begegneten Hill und Gårdeman aufs Neue der feuchten Kälte und wanderten schweigsam die Einfahrt hinunter zu ihrem Auto. Sie nahmen gerade noch eine schrille, fordernde Frauenstimme, eine brüske Antwort und das Zuschlagen einer Tür im Nilsmedschen Paradies wahr.
Dann herrschte Stille.
Alles, was man hörte, waren der knirschende Kies unter ihren raschen Schritten und das schwache Summen des elektronischen Türöffners, als sie das Tor hinter sich ins Schloss fallen ließen.
Leif Nilsmed verschanzte sich, nachdem die Polizisten die Villa verlassen hatten, über zwei Stunden lang in seinem Arbeitszimmer.
Berit Nilsmed war sich im Klaren darüber, dass sie ihn nicht stören durfte – aber sie wartete.
Wartete, was ihr schon so gottverdammt lange zur Gewohnheit geworden war.
Wartete, wie sie es ihr ganzes Leben getan hatte.
Worauf, das wusste sie selber nicht. Das Warten war im Lauf der fahre beinahe zu einem natürlichen Teil ihres Wesens geworden. Das bloße Vermögen, einfach still zu warten, verlieh ihr eine Art innere Stärke.
Schließlich, so gegen elf Uhr, hörte sie, wie die Tür zum Arbeitszimmer geöffnet wurde. Das Schloss gab nicht den geringsten Laut von sich, wie man es von anderen Häusern her kannte. Es war viel zu sorgfältig geschmiert und außerdem von ausgesuchter Qualität. Deshalb funktionierte es perfekt. Genau wie alles andere in diesem Haus.
Alles – außer ihrer Ehe.
Schritte näherten sich hastig durch die Diele, und als er plötzlich im Türrahmen stand und in den Salon spähte, sah sie, dass er völlig am Ende war.
Er schien in den letzten zwei Stunden um zehn Jahre gealtert. Die Augen waren blutunterlaufen, die Haut aschgrau und die Schultern eingesunken. Sie verstand deutlicher, als es ihr lieb war, was Anne Smitt für ihren Mann bedeutet hatte.
Feindlich glotzte er sie auf ihrem Sofa an, auf dem sie schon den ganzen Abend gesessen hatte.
Er sagte nichts, doch seine Blicke sprachen Bände.
»Sollten wir nicht reden?«, versuchte sie es.
Ihre Stimme durchschnitt wie ein Peitschenhieb die Stille des Hauses, und ihr Ton war der einer Unterhändlerin. Nicht der einer umsorgenden Ehefrau oder gar der einer mitfühlenden Partnerin. Das schaffte sie schon lange nicht mehr.
Er schnaubte verächtlich. »Worüber? Über deine Lebensprobleme?«
»Nein, über deine.«
»Halt den Mund.«
Er ging auf die Hausbar zu. Das war vorauszusehen gewesen. Der hübsche, intarsienverzierte Barschrank aus gebeizter Edelbirke war mit dem Trost gefüllt, den sie ihm schon längst nicht mehr spenden konnte.
Ein Trost, der jahrzehntelang in Sherryfässern in dunklen, feuchtkalten Gewölben lagerte.
»Das ist kein …«, fuhr sie ihn an.
Er goss sich einen doppelten Cognac in einen geschliffenen Kristallschwenker. »Halt die Klappe, habe ich gesagt!«
Die weiche Baumwolle des Taschentuchs glitt unaufhörlich zwischen Berit Nilsmeds Fingern hindurch. Wand sich nervös in einem manisch abgezirkelten Muster hin und her zwischen Edelmetallringen und kostbaren Steinen. Die mechanische Wiederholung der Bewegung verbunden mit dem schwachen, aber durchaus anhaltend aufdringlichen Geräusch
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