Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
raschelnden Stoffes schien ihr neue Kräfte zu verleihen.
»Aber Nilco muss in jedem Fall weiter existieren«, versuchte sie es erneut.
Er kippte den Cognac in einem gierigen Zug hinunter und füllte das Glas aufs Neue. »Ich pfeif auf Nilco – ich pfeife auf alles!«
»Das wird dir trotz allem nicht gelingen.«
»Ha!«
»Malin ist dir ja wohl nicht völlig egal!«, schleuderte sie ihm entgegen. Ihre Stimme wurde lauter.
Er wandte sich ihr aggressiv zu, doch sobald ihm die Bedeutung ihrer Worte aufging, besann er sich und blieb still.
»Ich bin dir ja schon lange egal«, setzte sie unverdrossen und schonungslos hinzu. »Gib Nilco auf, wenn du es so willst, aber Malin ist immerhin deine eigene Tochter. Sie kannst du nicht im Stich lassen. Das darfst du einfach nicht!«
Leif Nilsmeds Blick irrte auf der Suche nach einem Sinn in dieser unerträglichen Hölle die Wände entlang, und seine Mundwinkel begannen erneut beschämt zu zittern, als ihm aufging, wie aussichtslos seine Situation war.
Nein, er hatte nicht einmal mehr Malin.
So und nicht anders sah es aus!
Denn mit jedem Tag, an dem sie mit Sturmschritten dem Erwachsensein zueilte und dabei ihrer Mutter immer ähnlicher wurde, entfernte sie sich weiter von ihm. Bis am Ende nichts mehr von allem, was ihn mit seinem kleinen Mädchen während der vergangenen Jahre verbunden hatte, übrig sein würde.
Diese bittere Wahrheit war ebenfalls kaum zu ertragen.
Er sank in eines der Sofas, stellte das Kristallglas mit einem harten Schlag auf den Glastisch und verbarg sein Gesicht in den Händen.
»Zum Teufel … zum Teufel, verdammt!«, flüsterte er.
Unter sein Fluchen mischte sich Schluchzen, und sie schaute unschlüssig auf die bebende Gestalt. Wünschte sich, irgendwie darauf reagieren zu können, blieb aber sitzen, wo sie war. Obgleich das Taschentuch auf einmal abwartend ruhig in ihrer Hand lag und die Stille erneut das Haus beherrschte.
Abgesehen vom Geräusch seines verhaltenen Weinens.
Sie sehnte sich. Sehnte sich danach, ihre Kräfte an seinen zu messen, jetzt, da er der Schwächere war. »Sie ist tot, Leif«, sagte sie leise. »Diese Anne ist für immer fort.«
Schach?
Er antwortete nicht.
Sie überlegte den nächsten Schritt.
Begriff, dass es nun ohne den geringsten Zweifel ein Spiel auf Leben und Tod war. Aber eine bessere Chance würde sie nicht erhalten. Wenn es ihr gelänge, ihn jetzt an sich zu binden, würde es für ewig sein. Sie verspürte schon den süßen Geschmack des Siegesrausches.
Doch er kam ihr zuvor. »Wäre es nicht …«, schniefte er plötzlich, »wäre es nicht des Geldes wegen gewesen …, dass du mich notwendigerweise finanziell aushalten musstest, … dann wäre es nie so weit gekommen!«
»Dich aushalten? Ich habe dich ja wohl nie aushalten wollen!«, platzte sie erregt heraus.
»Ha! Etwa nicht? Du hast die Macht über mich erhalten, als dein verdammter Vater seine Rente in Nilco gesteckt hat – hast von mir Besitz ergriffen mit seinen verfluchten zwanzig Prozent!«
Unerwartet schnell hatte er wieder diesen teuflischen Blick.
Matt?
Sie versuchte einen Rückzieher. Wie schon so viele Male zuvor. »Aber … aber wir brauchten doch das Geld!«
»Wir? Du meinst – du! Du wolltest doch die Fäden ziehen. In der Firma, in unserem Leben, in allem!«
Sie wusste nur zu gut, dass sie jetzt aufpassen musste.
»Du wolltest das Haus«, brauste er auf. »Ein Haus, das uns durch das Darlehen aneinander band. Du wolltest Nilco erweitern und expandieren, bis überhaupt nichts anderes mehr in unserem Leben existierte als diese verdammte Firma!«
Er kippte den nächsten Cognac genauso schnell hinunter wie den ersten.
»Du brauchtest …«
Sie hätte den Mund halten sollen.
Tief in ihrem Inneren wusste sie das ganz genau. Aber das Ende seines angefangenen Satzes kam ihr, ohne nachzudenken, über die Lippen. »… Malin?«
Er schleuderte das Kristallglas an die Wand hinter ihr. Es zersplitterte an der sorgfältig gestrichenen Strukturtapete, und im selben Augenblick war er unerwartet schnell über ihr. Drückte sie in die Polster, verdrehte ihr mit einem groben Griff die Handgelenke und zischte ihr ins Ohr.
»Halt verdammt noch mal Malin heraus aus dem Ganzen! Ich warne dich! Zieh sie nicht mit in die Geschichte hinein!«
Er zerwühlte ihre halblange, glanzlose Frisur. Zerriss die Kostümjacke an einem der schmucken Perlmuttknöpfe, und seine teure Armbanduhr zog eine hässliche Laufmasche in ihre Seidenstrümpfe.
Er
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