Kommissar Katzorke: Süße Schrippen (German Edition)
für die morgige Ausgabe hatte er schon vor Augen. Je mehr Raum für wilde Spekulation, desto erfolgreicher die Schlagzeile.
Der Vorarbeiter gab den Ermittlern eine Runde Kaffee aus.
Danach packten sie ihre Bürsten, Klebestreifen und anderen Utensilien in die Koffer. Auf dem Boden ausgetretene Zigarettenkippen nahmen sie mit für die DNA Untersuchung im Labor.
„ Auf zur nächsten Leiche, Männer!“
Scherzend verließen sie die Baustelle.
Kaum waren die Absperrbänder entfernt, nahm der Fortgang der Arbeiten seinen gewohnten Lauf.
Einige Kilometer entfernt im Neuköllner Krankenhaus kämpften die Ärzte um Katzorkes Leben. Der Notarzt hatte zwar im Rettungswagen seinen Kreislauf stabilisiert, aber den Chirurgen war klar, dass sein Überleben von ihnen abhing. Die Kopfverletzungen waren dermaßen gravierend, da blieben nur geringe Überlebenschancen. Laut Einlieferungsbericht war er ein Obdachloser.
„ Keine Papiere, kein Name, keine Adresse. Operationssaal drei!“
Bei der Vorbereitung der entscheidenden, lebenserhaltenden Operation zeigte sich, dass eine weitere Schwierigkeit hinzukam. Das Krankenhauslabor hatte im Blut des Patienten berauschende Substanzen diagnostiziert.
„ Mit diesem Anteil THC im Blut würde ein ausgewachsener Wal zwei Meter über dem Ozean schweben. Diagnose: Cannabis Feld aufgeraucht.“
„ Eher ein oral induzierter Rausch, Herr Kollege. Der hat das Zeug aufgegessen.“
Die Chirurgen diskutierten, ob er in diesem Zustand überhaupt operiert werden könnte. Ihre Meinung war einhellig. Mit oder ohne Eingriff, der Unbekannte würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in wenigen Stunden versterben.
„ Ein Fall für unseren Nachwuchs. Die Jungen dürfen am lebendigen Leichnam ihre Operationskünste ausprobieren. Ich bin dann in OP Saal zwei.“
Der Chefarzt hatte sich spontan für eine OP am jüngeren, hoffnungsvolleren Patienten entschieden. Immerhin blieb eine erfahrene Narkoseärztin mit in OP Saal drei.
In Katzorkes Dienststelle vermisste man den kauzigen Kommissar auch am zweiten Tag seiner Abwesenheit nicht. Der Sonderling galt als sperriger Charakter, an dessen Eigenheiten niemand gern rühren mochte.
„ BLUTIGER DROGENEXZESS AUF RIXDORFER BAUSTELLE“
Keiner seiner ehrenwerten Kollegen hatte den biederen Kommissar Katzorke mit dieser Schlagzeile in Verbindung gebracht.
Das Krankenhaus war nicht in der Lage, jemanden über seinen Verbleib zu informieren.
Auf der Intensivstation lag ein anonymer Patient im Koma.
21.
An Fatmas schlechter Laune vermochten auch zwei von Kollege Stoppelkopf mit auffallend verbesserten Manieren servierte Becher Kaffee nichts zu ändern. Er wollte ja trotzdem nur die Gelegenheit einleiten, sie in eine lästige Plauderei zu verwickeln.
„ Wird bald kälter draußen.“
„ Hm!“
Künstlich gute Laune zu simulieren, war an diesem Tag nicht ihr Ding. Sie wartete schlagfertig darauf, dass er wieder anfing, seine hobbypsychologischen Analysen zu verbreiten. Subtile Kollegenschelte, mehr kam dabei nicht heraus. Was sie besonders ärgerte: seit ein paar Tagen hatte er sich ausgerechnet auf ihre Person fokussiert.
„ Ärger mit der Familie?“
„ Was?“
Fatma fühlte ihr Herz klopfen. Er brachte sie auf hinterhältige Weise aus dem Konzept. Mehmet kam ihr in den Sinn. Ausgerechnet jetzt wirkte sie betroffen, ausgerechnet vor Stoppelkopf!
„ Familie, was ist das?“
„ Jeder hat doch eine Familie. Oder nicht?“
„ Ich nicht.“
Stoppelkopf verzog seinen Mund.
Fatma folgerte, dass eine schicksalhafte Kette von Informanten, an deren Anfang Dimitri stand, über Mehmets Aktivitäten Bescheid gegeben hatte. Und die fatale Information, die sich über diese Kette bis ins Dezernat zu Stoppelkopf verbreitet hatte, beinhaltete eine gravierende Anschuldigung gegen sie, die neue Kommissarin.
Mehmets Geheimrezept bestand darin, aus Marihuana gepresstes Haschischöl mit einem in der Türkei geimkerten Honig zu einer Masse zu vermengen, sie in handelsüblich etikettierte Gläser abzufüllen, damit sie sich von gewöhnlichen Honigspezialitäten äußerlich nicht unterschied.
Nur in der Wirkung und vom Preis her bestand ein beträchtlicher Unterschied zwischen seiner Sorte und dem süßen Brotaufstrich.
„ Können wir Privatfragen bitte auf die Freizeit verschieben?“
Fatma hatte sich wieder gefasst. Bisher war ihr nicht zu Ohren gekommen, dass irgendein Drogenfahnder von Mehmets Verkaufsmasche erfahren hatte. Einer von ihren
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