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Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Titel: Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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plötzlich saß ihm die Furcht wie eine Faust im Nacken. Seine Stimme klang trocken und spröde. „Wir werden“, keuchte er, „auf schnellstem Weg in die Venus Bar zurückkehren. Luke Macholl wird für ein Alibi sorgen. Sie bedienen weiter als wäre nichts geschehen. Verstanden?“
    Tatsächlich stand Miriam Davis schon zehn Minuten später mit weißer Zierschürze und gefüllten Tabletts am Büfett der Venus Bar. Sie verrichtete ihren Dienst wie eine Schlafwandlerin. Mechanisch und geistesabwesend bediente sie ihre Gäste.
    „Haben Sie mich vergessen?“ fragte plötzlich neben ihr eine sympathische Männerstimme. „Nun habe ich schon dreimal um Zigaretten gebeten.“
    Miriam Davis blickte bestürzt in das lächelnde Gesicht Allan Raymonds. Er war wieder einmal sehr geschmackvoll und elegant gekleidet. Auf keinen Fall paßte er seinem Aussehen nach in diese berüchtigte Spelunke. „Was haben Sie denn?“ fragte er forschend. „Wie sehen Sie denn aus? Ist Ihnen nicht ganz gut? Kann ich Ihnen helfen?“

Er ist der einzige, der merkt, wie es in mir aussieht, dachte Miriam Davis erschüttert. Ich glaube, ich gäbe mein halbes Leben dafür hin, wenn ich ihm jetzt die Wahrheit sagen könnte. Er würde mich vielleicht verstehen. Und er würde sicher alles verzeihen. „Setzen Sie sich doch“, sagte Allan Raymond sanft. „Ruhen Sie sich etwas aus. Ich bringe Sie gern in meinem Wagen nach Hause, wenn Sie sich nicht wohlfühlen.“
    Miriam Davis lauschte mit geschlossenen Augen seiner Stimme nach. Es schien ihr, als käme dieser Mann aus einer anderen Welt. Sie war Anstand und Ehrlichkeit und männliche Güte nicht mehr gewöhnt. „Ich wohne hier“, sagte sie scheu. „Ich wohne in diesem Hause. Leider habe ich nichts Besseres gefunden. Wenn man in Not ist, kann man nicht wählerisch sein.“ Allan Raymond griff impulsiv nach ihrer Hand.
    „Ich werde mich etwas um Sie kümmern müssen“, sagte er besorgt. „Dieses Lokal ist nichts für Sie. Ich werde Ihnen eine andere Stelle verschaffen.“
    Miriam Davis ließ ihre Hand sekundenlang in der seinen. Sie spürte ihr Blut heiß zum Herzen strömen. Und trotz aller Verzweiflung, die auf ihrem Herzen lag, glaubte sie, sie sei noch nie so glücklich gewesen, wie in dieser Stunde.

    9

    Seit Inspektor Mervan unter so merkwürdigen Umständen verstorben war, mußte Kommissar Morry auch seine Arbeit noch auf die Schultern nehmen. Er studierte die
    Akte Linda Cantrell stundenlang durch und machte sich eine ganze Menge Notizen. Aber als er dann endlich Feierabend machte, war er so klug wie zuvor. Ich muß es anders anpacken, überlegte er. Ich muß mir die Leute persönlich anschauen. Vielleicht komme ich dann ein Stückchen weiter. Da er kein Mann von langem Zaudern war, bestieg er seinen Dienstwagen und fuhr zu dem großen Wohnblock, in dem Philip Cantrell seit ein paar Jahren hauste. An der Tür traf er auf das Hausmeisterpaar, das ihn verwundert anstarrte. „Ich suche“, murmelte Morry, „einen gewissen Philip Cantrell, dessen Frau vor kurzem verstarb. Ist er zu Hause?“
    „No“, grinste der beschränkte Hausverwalter. „Wenn Sie Philip Cantrell sprechen wollen, müssen Sie in seine Stammkneipe gehen. Er hockt dort den ganzen Tag und die halbe Nacht. Soviel ich weiß, hat man ihn aus seinem Büro hinausgefeuert. Kein Wunder, Sir. Er treibt es ja auch ziemlich toll. Ich habe ihn seit Wochen nicht mehr nüchtern gesehen.“
    „Du tust dem Mann Unrecht, John“, mischte sich die dicke Hausmeisterin ein. „Was soll er denn zu Hause in der kalten Wohnung? Er hat ja niemanden mehr, der für ihn sorgt. Diese Frau ist sein Unglück gewesen, Sir. Das kann ich Ihnen ehrlich sagen. Sie hat den Tod dreifach verdient. Sie war eine leichtfertige Dirne, die ihrem Mann das Leben zur Hölle machte. Jeden Tag einen neuen Mantel, neue Schuhe und einen anderen Hut. Na, man weiß ja, woher sie es hatte. Auf keinen Fall durch ehrliche Arbeit.“
    „Schon gut, Madam“, murmelte Kommissar Morry. „Ich weiß Bescheid. Dann werde ich mal in diese Kneipe gehen. Besten Dank für die Auskunft.“
    Er ließ den Wagen auf der Straße stehen und ging die kurze Strecke zu Fuß. Am Ende der langen Mietskaserne lag der bescheidene Salon, in dem Philip Cantrell seine zweite Heimat gefunden hatte. Kopfschüttelnd trat Morry über die Schwelle. Schon von der Tür aus entdeckte er den unglücklichen Mann, der ganz allein an einem langen Tisch saß und stumpfsinnig vor sich hin stierte. Vor ihm

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