Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
gesprochen?"
„Erst gestern. Warum?"
„Nicht in dieser Nacht — vor ein oder zwei Stunden?"
„Lieber Himmel, nein! Warum?"
Rockwell starrte seinem Gesprächspartner in die Augen. Der junge Mann gab seine Antworten rasch und scheinbar unbefangen — und doch schien es dem Inspektor so, als verberge sich hinter ihnen eine fremde, schwer definierbare Spannung, eine Wachsamkeit, die er früher bei Roger Landville noch niemals festzustellen vermocht hatte.
„Wir haben den Komplex O'Conners ja schon durchgesprochen", meinte der Inspektor. „Behaupten Sie noch immer, daß Ihre Beziehungen zu Mrs. O'Conners völlig oberflächlicher Natur sind?"
„Was ist denn auf einmal in Sie gefahren, Inspektor? Hat Sie diese Frage nicht schlafen lassen? Warum überfallen Sie mich mitten in der Nacht damit?"
„Weichen Sie mir bitte nicht aus."
„Ich habe Ihnen gesagt, was zu sagen war!"
„Sie haben mir gesagt, was Sie glaubten, verantworten zu können", korrigierte der Inspektor.
„Wie meinen Sie das?“
„Ich komme gerade von Mrs. O'Conners."
„Um Himmels willen — ist ihr etwas zugestoßen?" fragte Roger erschreckt.
„Wie kommen Sie darauf?“
„Wenn Sie bei ihr waren, wissen Sie ja vermutlich Bescheid", meinte Roger. „Kitty hatte einen Streit mit ihrem Mann. Er ist mit der Pistole aus dem Haus gegangen..."
„Jetzt kommen wir der Sache näher. Mrs. O'Conners hatte sie gewarnt, und..."
„Das ist doch alles Unsinn!" unterbrach Roger unwillig. „Was ist denn passiert? Zwei junge Eheleute haben sich verkracht, und einer von ihnen ist kopflos davongestürzt! So etwas renkt sich rasch wieder ein. Finden Sie es nicht töricht, mich deshalb mitten in der Nacht aus dem Bett zu holen?"
„Das war Mrs. O'Conners Idee."
„Sie hat es sicher gut gemeint, aber ich finde, daß das völlig unnötig war." Er holte tief Luft und fügte hinzu: „Was hätte Patrick denn bei mir erreichen wollen? Er weiß, daß ich Kitty gut leiden kann, und er wäre gewiß der letzte, der mir einen Vorwurf aus der Tatsache machen würde, daß seine Frau sich in mich verliebt hat. Im übrigen dürfen Sie versichert sein, daß es Kitty nicht sehr ernst damit gewesen ist — sie wollte Patrick nur reizen. Das hat sie mir jedenfalls am Telefon versichert. Sie wissen ja, wie Frauen sind!"
„Tja", meinte Rockwell. „In diesem Fall bleibt mir nichts anderes übrig, als mich von Ihnen zu verabschieden und zu hoffen, daß sich das Ganze wirklich nur als ein harmloser Ehekrach entpuppt. Bitte entschuldigen Sie die Störung, Sir..."
*
Nachdem der Inspektor gegangen war, hastete Roger hinauf in sein Zimmer. Er trat an das Telefon und wählte Kitty O'Conners Nummer. Jetzt, wo sich seine Spannung etwas gelöst hatte, begann er am ganzen Körper zu zittern.
„Hallo?" meldete sich die ängstliche Stimme der jungen Frau am anderen Ende der Leitung.
„Ich bin's", sagte Roger, ebenso leise. „Rockwell ist vor einer halben Minute gegangen. Ich hoffe, ihn davon überzeugt zu haben, daß Patrick nicht hier war. Bis jetzt läuft alles glatt."
„Lieber Himmel, Roger — ich weiß nicht, ob ich in der Lage sein werde, einen klaren Kopf zu behalten. War es denn nötig, ihm zu erklären, daß zwischen uns gewisse Beziehungen bestehen?"
„Ja, denn er weiß es ohnehin."
„Roger — sagst du mir auch ganz bestimmt die volle Wahrheit?"
„Wie kannst du daran zweifeln?"
„Ich kann noch immer nicht begreifen, daß Patrick tot sein soll und daß..." Sie stockte und schwieg.
„Nun?" drängte er ungeduldig.
„Du hast mir am Telefon erklärt, daß er von einem Unbekannten durch das Fenster deines Zimmers erschossen worden sei. Wie soll ich dir das glauben?"
„Ja, hältst du mich denn für einen Mörder?" fragte er, einigermaßen fassungslos.
„Darum geht es hier doch gar nicht", meinte die Frau. „Patrick wollte dich töten, nicht wahr? Was blieb dir da anders übrig, als dich zu verteidigen?"
„Ja, er wollte mich töten. Ganz gewiß hätte ich mich verteidigt, wenn dazu nur die Gelegenheit gewesen wäre. Der Unbekannte auf dem Balkon nahm mir die Arbeit ab. Er schoß in dem Moment, als Patrick auf mich zielte!"
„Du wirst doch einsehen, daß das nicht sehr glaubhaft klingt!"
„Und ob ich das einsehe!" meinte er grinsend. „Das ist doch der Grund, der mich darauf bestehen läßt, der Polizei die Wahrheit vorzuenthalten! Unter den gegebenen Umständen ist es völlig ausgeschlossen, daß man mir glauben würde. Selbst du zweifelst ja
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