Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
werden wir heiraten?"
„Das können wir doch um diese Zeit nicht am Telefon besprechen!" wich er aus. „Du mußt daran denken, was sich vor drei Wochen ereignet hat. Es würde einen Schatten auf den Namen Landville werfen, wenn ich so kurz nach dem tragischen Tod meiner Mutter eine Frau heirate, die einmal mit meinem besten Freund verheiratet war . . .“
„Worauf nimmst du mehr Rücksicht... auf die Leute, die uns nichts angehen, oder auf mich?"
„Das unterliegt doch gar keinem Zweifel, Liebling! Aber du bist jetzt erregt. Du verlangst nach Genugtuung. Das macht dich vielleicht ein wenig unbesonnen und... still!" sagte er plötzlich. „Ich rufe dich in ein paar Minuten wieder an. Ich glaube, es ist jemand an der Tür!"
Als er den Hörer auf die Gabel legte, sah er, wie sich die Türklinke langsam und lautlos nach unten bewegte. Dann ging die Tür auf. In ihrem Rahmen stand Patrick O'Conners. Er trug einen kurzen Trenchcoat, unter dem ziemlich enge, graue Tuchhosen sichtbar wurden. Die braunen Wildlederschuhe waren dreckverkrustet.
Langsam kam er näher. Beide Hände hatte er in die Taschen seines Mantels vergraben.
„Du hast mit ihr gesprochen, nicht wahr?" fragte er, ohne die Stimme zu erheben. Einen Schritt vor dem Bett blieb er stehen. „Gib es zu!"
O'Conners war ein großer, dunkelblonder Mann mit einem kantigen Gesicht und mittelbraunen Augen. „Wie kommst du ins Haus?" fragte Roger.
„Durch die Hintertür. Du hast mir oft genug demonstriert, wie sich der Riegel mit der Klinge eines Taschenmessers zurückschieben läßt."
Roger schlug die Bettdecke zurück und schwang die Beine auf den Boden. „Setz dich", sagte er. „Ich ziehe mir nur rasch den Morgenmantel über..."
„Nur keine Umstände", sagte Patrick mit leisem Hohn. „Wir haben nicht viel miteinander zu besprechen."
„Willst du mich am Aufstehen hindern?"
„Keineswegs. Es ist mir egal, ob du dich im Pyjama, im Morgenmantel, oder im Frack präsentierst. In jedem Fall verbirgt sich dahinter der gleiche hundsgemeine Charakterlump!''
Roger schoß das Blut ins Gesicht. „So etwas darfst du nicht sagen!"
„Willst du verraten, mit welchem Recht du das verlangst?"
„Du mußt mich verstehen..." begann Roger matt. Er hatte einen muffigen Geschmack im Mund und war sich mit peinlicher Deutlichkeit der Tatsache bewußt, der Situation nicht gewachsen zu sein. Alles war zu schnell über ihn hereingebrochen.
„Muß ich das wirklich?" fragte O'Conners höhnisch.
Roger starrte auf die Hände des Freundes, die sich in der Manteltasche bewegten. Er konnte sich täuschen, aber ihm war, als erkenne er die Konturen einer Pistole. Er merkte, wie er zum Opfer des eigenen Terrors wurde.
„Du mußt mich anhören, Patrick . . ." sagte er, beinahe flehend.
„Mach es kurz!"
„Ich brauche dir doch nicht zu erklären, wie es zwischen Kitty und dir stand. Ihr hattet euch nichts mehr zu sagen. Ich kenne nicht die Gründe, ich weiß nur, daß es so war..."
„Ich will dir den Hauptgrund nennen", unterbrach O'Conners. „Er trägt den Namen Roger Landville."
„Das ist nicht wahr!"
„Weshalb hast du nicht den Mut, das zuzugeben? Lieber Himmel. .. und so etwas nannte sich einmal mein Freund!"
„Es ist alles ganz anders, als du glaubst..."
„Kitty hat mir alles erzählt."
„Was konnte sie dir schon sagen? Daß sie sich in mich verknallt hat? Daß es Stunden gab, wo ich meinte, sie ebenfalls zu lieben? Daß ich ihr, wahrscheinlich im beschwipsten Zustand, sogar die Ehe versprochen habe? Das ist doch alles nicht ernst zu nehmen!"
Patrick O'Conners holte tief Luft. „Soso", sagte er leise. „Das ist nicht ernst zu nehmen. Die Liebelei mit der Frau eines Freundes. Ein Eheversprechen — alles Dinge, die man nicht ernst zu nehmen braucht! Wie konnte ich nur so verblendet sein, einen Mann mit deinen Charaktereigenschaften als Freund zu betrachten?"
„Jetzt bist du ungerecht! Ich kann deine Verbitterung begreifen, aber du mußt auch mich verstehen. Kitty ist ein sehr reizvolles Mädchen, und eure Ehe bestand schließlich nur noch dem Namen nach..."
„Aber sie bestand", sagte Patrick leise. „Es stimmt, daß wir, Kitty und ich, viele Differenzen hatten. Es ist wohl auch richtig, daß unsere Ehe Auflösungserscheinungen zeigte. Ich hoffte trotzdem, daß sich die Ehe noch retten ließe. Sei dem, wie dem wolle: Du hattest kein Recht, meine Frau zu verführen!"
„Wer sagt dir denn, daß ich dabei den aktiven Teil gespielt habe?"
„So ist's
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