Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
keine Ruhe. Ich wollte dir doch helfen!" entschuldigte er sich.
„Was ist dabei herausgekommen?"
„Nichts Vernünftiges", meinte er kleinlaut. „Ed will dich erpressen. Er verlangt zwanzigtausend."
„Wofür?"
„Für sein Schweigen."
Zu Stuarts Überraschung blieb Jeanette ganz ruhig. „Das habe ich erwartet."
„Was hast du vor?"
„Ich weiß es noch nicht."
„Er will bis morgen Bescheid haben."
„Ich vertraue mich dem Inspektor an", sagte sie. „Er wird mich verstehen."
„Er ist ein Polizist, vergiß das nicht."
„Ich habe nicht vor, mich einem Mann vom Schlage Eds in die Hände zu geben."
„Er hat geschworen, sich mit den zwanzigtausend Dollar zufriedenzugeben."
Sie blickte ihn an. „Bist du so töricht, ihm zu glauben?"
Er setzte zum Sprechen an, schwieg aber, als der Drugstorebesitzer zu ihnen trat und das Glas vor ihm hinstellte. Erst nachdem der Geschäftseigentümer sich zurückgezogen hatte, antwortete er: „Ed ist ein Mann, der seine Grenzen kennt."
„Ich gehe zu Rockwell", wiederholte das Mädchen. „Früher oder später werden sie doch dahinter kommen..."
„Jeanette!" sagte er erschreckt. „Soll das etwa heißen. ..?" Er unterbrach sich und schwieg.
Sie lächelte bitter. Dann meinte sie: „Du scheinst noch immer anzunehmen, daß ich dir nicht die Wahrheit sagte. Du hältst es für möglich, daß ich meine Mutter tötete, nicht wahr? Ich bin enttäuscht, Stuart. . . tiefer und schmerzlicher, als ich das zum Ausdruck bringen kann." Sie glitt vom Hocker. „Ich möchte gehen."
„Ich bringe dich nach Hause", äußerte er und legte eine Münze auf den Schanktisch.
„Vielen Dank, Stuart.. . aber ich möchte allein sein!"
*
Als sie durch die belebten Hauptgeschäftsstraßen ging, hatte sie wieder das Gefühl, beobachtet zu werden. War es Stuart, der ihr vorsorglich folgte, um sie zu beschützen? Sie blieb stehen und blickte in ein Schaufenster. Dann wandte sie sich mit einem Ruck um. Nur ein paar Schritte von ihr entfernt stand der junge Mann, der sie vorhin verfolgt hatte. Er unternahm nicht den geringsten Versuch, wegzublicken.
Sie ging auf ihn zu. „Wer sind Sie?“
Er lächelte ihr in die Augen, und plötzlich fühlte sie, wie jedes Gefühl der Furcht verschwand.
„Ich bin Cedric Fortcrank“, sagte er.
„Mr. Fortcrank!" hauchte sie erschreckt.
„Überrascht?"
„Warum . . . warum folgen Sie mir?"
„Dafür gibt es verschiedene Gründe."
Jeanette hatte sich von ihrer Verblüffung erholt. „Bitte, nennen Sie mir die Gründe!"
„Ich möchte den Mörder Ihrer Mutter stellen."
Erstaunt hob sie die Augenbrauen. „Soll ich Ihnen das glauben?"
„Das ist mir ziemlich gleichgültig."
„Sie hassen die Landvilles, nicht wahr?"
„Dazu besteht keine Veranlassung."
„Das ist eine infame Lüge. Ich weiß es besser. Die Fortcranks haben uns immer gehaßt."
„Das mag auf meinen armen Vater zutreffen. Er ist tot. Inzwischen hat sich vieles geändert. Ihre Mutter hat sehr viel für uns getan."
„Mama?" fragte sie verblüfft.
„Ja, sie hat vieles wiedergutgemacht."
„Es gab nichts wiedergutzumachen", erwiderte sie.
Er zuckte die Schultern. „Vielleicht haben Sie recht, vielleicht auch nicht. Ihre Mutter wird schon gewußt haben, was sie tat, als sie uns unterstützte."
„Unterstützte?" wiederholte Jeanette verwirrt. „Wie soll ich das verstehen?"
„Wie es gesagt wurde. Ihre Frau Mutter hat uns eine großzügige finanzielle Hilfe gewährt."
„Davon wußte ich nichts!“
„Ich weiß. Sie haben Ihre Mutter sehr enttäuscht. Sie haben sich wenig um die alte Dame gekümmert. Roger und auch Sie sind nur Ihren jeweiligen schalen Vergnügungen nachgegangen. Kein Wunder, daß Mrs. Landville gezwungen war, eigene Wege zu gehen."
„Ich kann es nicht glauben!"
„Es ist die Wahrheit."
Einige Sekunden starrten sie sich schweigend in die Augen. Dann meinte Jeanette matt: „Und ich dachte schon, Sie wären der Mörder!"
„Ich?" fragte er verblüfft.
„Ja. Der Mörder hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er die Landvilles zu vernichten wünscht. Und da sowohl Roger als auch ich zu wissen meinten, daß Ihre Familie uns haßt..."
„Jetzt wissen Sie es hoffentlich besser. Wer war der junge Mann, mit dem Sie sich getroffen haben?"
„Stuart Lincoln."
„Hm, einer von den Lincolns also", bemerkte er mit leisem Spott. „Ich erinnere mich, einmal gehört zu haben, daß die Lincolns zur gesellschaftlichen Oberschicht der Stadt gehörten. Wie ich
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