Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
sehe, wissen Sie, was Sie dem Namen Landville schuldig sind."
„Sie irren, wenn Sie meinen, daß ich mich von so törichten und snobistischen Ueberle- gungen leiten lasse!" erwiderte sie scharf. „Ich bin mit Stuart so gut wie verlobt. . . und ich liebe ihn!"
Zu ihrem Erstaunen begriff sie in dem Moment, wo sie es sagte, daß es gar nicht stimmte. Sie konnte Stuart sehr gut leiden, aber sie liebte ihn nicht. Das war ihr vorhin in dem Drugstore klargeworden.
„Ich habe Sie beobachtet", meinte Fortcrank. „War es nicht so, daß Sie sich vor dem Abschied mit Mr. Lincoln stritten?"
„Was geht Sie das an?"
„Ich suche die Wahrheit."
„Sie haben erklärt, daß es Ihnen darum geht, den Mörder meiner Mutter zu finden. Sie folgen der falschen Fährte, wenn Sie Stuart oder mich beschatten. Was legitimiert Sie überhaupt zu Ihrer Aktion?"
„Das habe ich Ihnen doch klarzumachen versucht. Als meine Familie gleichsam am Hungertuch nagte, griff Ihre Frau Mutter helfend ein. Das habe ich ihr nicht vergessen. Sie war eine gute und gerechte Frau.“
„Komisch", meinte Jeanette mit leiser Bitterkeit. „Im Grunde genommen tun Sie in dieser Hinsicht mehr für Mama als Roger und ich!"
„Ich habe noch nichts Nennenswertes erreicht", sagte er. „Können Sie mir nicht einen Tip geben, wie ich voran komme? Sie erklärten vorhin, der Mörder habe gesagt, daß er die Landvilles vernichten wolle. Zu wem hat er das gesagt?"
„Zu Stuart."
„Und wo?"
„Am Telefon."
„Auf Mr. Lincoln wurde einmal geschossen, nicht wahr?"
„Zumindest auf seinen Wagen."
„Wann werden Sie ihn heiraten?"
„Was geht Sie das an?" Sie fühlte einen plötzlichen Ärger in sich auf steigen. „Ich möchte Sie bitten, mich in Zukunft in Frieden zu lassen!"
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging weiter. Seltsamerweise bereute sie schon im nächsten Moment, ihn einfach stehengelassen zu haben. Irgend etwas in seinen hellen Augen hatte sie mit Mut und Zuversicht erfüllt.
Unsinn, schalt sie sich selbst. Ich bin vorübergehend von Stuart und seinen dummen Zweifeln enttäuscht. Nur darum meine ich, daß mir von anderer Seite mehr Trost und Verstehen zufließen könnte. Was habe ich mit diesem Fortcrank zu schaffen! Als sie nach Hause kam, erfuhr sie von Tom, daß Roger in seinem Zimmer sei. Sie ging hinauf und trat ein. Roger lehnte am Fenster und blickte hinaus. Seit Mamas Tod findet er keine Ruhe mehr, dachte Jeanette. Wann habe ich ihn das letzte Mal am Schreibtisch sitzen gesehen?
„Was gibt’s Neues?" fragte er, ohne sich umzuwenden.
„Man will uns erpressen."
Er fuhr auf den Absätzen herum und starrte sie an. „Uns?"
„Mich, um genauer zu sein.“
„Wer?"
„Ed, der Mixer."
„Was hat er gegen dich in der Hand?"
„Eine ganze Menge."
„Drücke dich bitte genauer aus!"
„Er hat mir eine Pistole verkauft, eine 22er, und droht, diese Tatsache, publik zu machen ... es sei denn, ich erkläre mich bereit, ihm zwanzigtausend Dollar Schweigegeld zu zahlen."
Roger ging langsam auf sie zu. Auf halbem Weg blieb er stehen, um sich nach einem Stuhl umzuschauen. Er zog ihn heran und setzte sich so langsam darauf, als befürchte er, mit dem Sitzmöbel zusammenbrechen zu müssen. Während dieser umständlich anmutenden Prozedur ließ er die Schwester keine Sekunde aus den Augen. „Sage das noch einmal!" bat er.
„Mir ist klar, daß du jetzt schockiert und enttäuscht bist, weil du davon zum ersten Mal hörst. Ich hätte dich viel früher einweihen sollen! Statt dessen betrachtete ich den Pistolenbesitz als mein Geheimnis. Wahrscheinlich befürchtete ich auch, daß du den Kauf nicht gebilligt hättest. Jetzt droht mich dieses .Geheimnis' zu zerstören. Die Pistole lag in der Schublade meines Nachtschränkchens. Man hat sie gestohlen... und zwar eine Woche vor Mamas Tod. Stuart hält es für denkbar, daß der Täter die Pistole als Mordwaffe benutzte."
„Jeanette!"
In den Augen des Mädchens standen Tränen. „Lieber Himmel, versuche mich doch zu verstehen! Ich habe das Ding von Ed gekauft, weil ich anfing, mich in diesem Hause zu fürchten. Als dann das Schreckliche mit Mama passiert war, dachte ich gar nicht mehr an die Pistole. Als sie mir schließlich wieder einfiel, mußte ich schweigen, um nicht in einen falschen Verdacht zu geraten!"
Seine Lippen zuckten. Er sah blaß und zerquält aus. „Die Dinge fangen an, in ein sehr stürmisches Fahrwasser zu geraten", meinte er. „Es sieht so aus, als ob sich plötzlich
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