Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
Schultern sackten nach unten, als seine Schwester auf der Schwelle erschien. Jeanette riß erschreckt die Augen auf, als sie die Pistole in Stuarts Hand bemerkte.
„Meine Donaldson!"
„Komm rein, Täubchen", sagte Stuart. „Du machst es mir wirklich leicht. Ich bin dir dankbar. Auf diese Weise brauche ich nicht nochmals aus dem Haus zu gehen..."
„Was hat das alles zu bedeuten?" fragte Jeanette, die noch immer wie gebannt auf die Pistole starrte.
„Ist das so schwer zu erraten?" fragte Stuart. „Dein Bruder hat sich als ein talentierter Sherlock- Holmes en miniature erwiesen. Er hat mir — wie heißt es so schön? — die Maske vom Gesicht gerissen!"
Während er sprach, schritt er auf sie zu. Als er sie anfassen wollte, riß sie sich los. Er stieß sie in das Zimmer und stellte sich mit dem Rücken zur Tür. Jeanette flüchtete sich zu Roger. Der legte einen Arm um sie, als sie den Kopf schluchzend an seiner Schulter barg.
„Verzeih, Roger... ich war so dumm, so unendlich dumm!"
Roger drückte sie an sich. „Schon gut", murmelte er tröstend. „Er wird es nicht wagen, auf uns zu schießen."
„Wie rührend!" spöttelte Stuart. „Laß dir nichts vormachen, Jeanette. Er spricht wider besseres Wissen. Aber ich will euch noch eine letzte Chance geben . . ."
Jeanette löste das tränenfeuchte Gesicht von Rogers Schulter und wandte sich Lincoln zu. „Welche Chance?"
„Wenn ihr mir schwört, mir binnen einer Woche zweihunderttausend Dollar zu zahlen und über alles, was ihr wißt, den Mund zu halten, bin ich bereit, euch das Leben zu schenken."
„Wie großzügig!" höhnte Roger. „Sollen wir Ihnen dafür auch noch dankbar sein?"
„Zweihunderttausend Dollar in bar", wiederholte Stuart. „Und Ihr Schweigen!"
„Wir könnten das Wort brechen . . .“
„Nein, nein", sagte Stuart. „Soweit kenne ich die Landvilles nun schon. Sie sind von der törichten Biederkeit, die sich keine Ausrutscher dieser Art leistet. Sie sind zwar durchaus in der Lage, etwas Unerlaubtes und sogar Kriminelles zu tun... aber sie würden niemals ein gegebenes Wort brechen."
„Geben Sie sich keine Mühe, Lincoln", sagte Roger. „Wir schulden es unserer Mutter und Patrick, diesen schmutzigen Handel abzulehnen."
Um Stuarts Lippen zuckte es spöttisch. „Sieh mal einer an! Der kleine Landville versucht sich in der Rolle des Helden! Gar nicht übel. Ich gebe zu, daß Sie mehr Zivilcourage besitzen, als ich erwartet hätte. Aber was nützt Ihnen das schon? Sie haben nicht das Recht, nur für sich zu sprechen. Sie müssen auch an Ihre süße kleine Schwester denken..."
In diesem Moment öffnete sich hinter Stuart die Tür. Er fuhr sofort herum, aber noch ehe er in der Lage war, den Abzug der Pistole durchzuziehen, schlug Rockwell ihm die Waffe aus der Hand. Die Pistole polterte zu Boden.
Stuart besann sich keine Sekunde. Da er hinter dem Inspektor das Gesicht von Cedric Fortcrank auftauchen sah, stürmte er quer durch das Zimmer auf das Fenster zu.
„Stehenbleiben!" rief Rockwell.
Lincoln riß das Fenster auf und schwang sich auf den etwa fußbreiten Sims, der rings um das Haus lief. In dem Moment, als er nach unten springen wollte, sah er die Beamten, die das Gebäude umstellt hatten. Resignierend kletterte er in das Zimmer zurück.
„Nicht übel gemacht", würgte er mit krächzender Stimme hervor. „So geht's einem, wenn man weich wird. Ich hätte Fortcrank nicht laufen lassen dürfen."
„Wir hätten Sie auch ohne Mr. Fortcranks Hilfe geschnappt", belehrte ihn der Inspektor.
Zwei jüngere Beamte betraten das Zimmer. Während einer von ihnen Lincoln nach Waffen abklopfte, legte ein anderer ein Paar Handschellen um dessen Gelenke.
Lincoln atmete schwer. Er sah sehr alt und blaß aus... es schien, als würde er vor den Augen der Anwesenden sichtlich verfallen.
„Können wir gehen, Inspektor?" fragte er.
„Sicher", erwiderte Rockwell. „Wir haben einen langen Tag vor uns. Ich vermute, daß Sie ein längeres Geständnis abzulegen wünschen?"
„Ich habe nichts zu gestehen!" sagte Lincoln barsch.
„Es genügt, wenn Sie zu Protokoll nehmen, was er mir anvertraut hat", meinte Fortcrank.
„Jeanette und ich können auch einiges dazu beitragen", sagte Roger.
„Na, wunderbar", erwiderte der Inspektor. „Gehen wir!"
Nach der Verhandlung wurde die gesellschaftliche Stellung der beiden Landvilles in Memphis untragbar. Im Herbst zogen beide nach New York. Jeder von ihnen mietete sich dort in eine kleine, moderne
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