Kommissar Morry - Die Woelfe
Mundwinkel.
„Ich kenne diesen Klub“, sagte er nachdenklich. „Ich kannte auch Charles Clay. Dieser unglückliche Mann war seit vielen Jahren bei dem seltsamen Verein im Astoria. Diese Leute nennen sich die Wölfe, stimmts nicht?“
„Seltsame Bezeichnung für einen harmlosen Klub“, murmelte Inspektor Lawrence unwillig. „Wölfe sind bekanntlich Raubtiere. Hoffentlich ist das Tun dieses Klubs besser als sein Name.“
„Mein Gott“, sagte Kommissar Morry wegwerfend. „Diese Leutchen können sich auch Affen nennen, wenn sie wollen. In diesem Lande kann jeder tun, was ihm beliebt.“
„Nur keinen Mord begehen“, warf Inspektor Lawrence ein. „Und ich habe nun mal das komische Gefühl, Sir, als wäre bei diesem Klub nicht alles sauber. Erinnern Sie sich doch bitte an Sidney Romer, der anderthalb Jahre in der Anstalt Tootham zubringen mußte. Und was war schuld an diesem Zwangsaufenthalt? Ein brutaler Schlag an die linke Schläfengegend, der ihm fast das Leben gekostet hätte. Er hat zwar nie gesagt, woher und von wem dieser Schlag stammte. Allem Anschein nach aber von einem Mitglied des Klubs, der ja auch schon damals in den oberen Räumen des Hotels tagte. Wenn ich logisch weiterfolgere, so komme ich zu der Überzeugung, daß Sidney Romer seinerzeit irgendwelche Beobachtungen machte, die den Mitgliedern des Klubs nicht angenehm waren. Man wollte ihn ausschalten. Er sollte zum Schweigen gebracht werden.“
„Nicht schlecht“, murmelte Morry. „Sie gehen mächtig ins Zeug, mein Lieber. Sonst noch etwas?“
„Ja“, sagte Inspektor Lawrence tief atmend. „Es ist mir aufgefallen, daß Charles Clay haarscharf die gleiche Verletzung trug, wie sie damals Sidney Romer davongetragen hatte. Die Schläge wurden genau gegen die gleiche Stelle des Schädels geführt. Nur mit dem Unterschied, daß sie diesmal tödlich waren.“
„Richtig“, nickte Kommissar Morry. „Ich habe mir die Photos bereits angesehen. Der Mörder scheint ein Scheusal zu sein oder ein Irrer. Er schlug noch zu, als sein Opfer längst tot war.“
„Hm“, brummte Inspektor Lawrence gedankenvoll. „Ich habe mir bereits einige Kombinationen zurechtgelegt. Erstens einmal kann es kein Zufall sein, daß der Mord an Charles Clay zeitlich fast genau mit der Rückkehr Sidney Romers zusammenfiel. Dieser Mord an Charles Clay kommt also nicht von ungefähr, sondern hat seinen Ursprung genau eineinhalb Jahre früher. Angeblich wollte der bedauernswerte Mann Sidney Romer eine Beichte ablegen.“
„Reden Sie doch weiter!“, sagte Kommissar Morry ungeduldig.
„Warum unterbrechen Sie sich denn dauernd?“ „Es gibt zwei Möglichkeiten“, fuhr Inspektor Lawrence nach einer Weile fort. „Ich habe heute früh die Anstaltsleitung in Tootham angerufen. Dort berichtete man mir, daß Sidney Romer kurz vor seiner Entlassung eine Namensliste angelegt habe. Dieses Verzeichnis enthielt die Adressen von sieben Personen. Alle sind oder waren Mitglieder des Klubs im Astoria. Auch der Name Charles Clay war dabei. Jedenfalls glaubte sich der Anstaltsarzt Dr. Monck genau an diesen Namen erinnern zu können. Vermutlich will sich Sidney Romer an diesen Leuten rächen. Er macht sie für sein unglückliches Schicksal verantwortlich. Wenn es so wäre, hätten wir den Mörder Charles Clays bereits gefunden.“
Kommissar Morry winkte ab. „Wie stehts mit der zweiten Möglichkeit?“, fragte er neugierig. „Die würde mich mehr interessieren.“
„Da gibts nicht viel zu erzählen, Sir. Vielleicht quälte Charles Clay tatsächlich das Gewissen. Vielleicht wollte er vor dem eben zurückgekehrten Sidney Romer wirklich eine Beichte ablegen. Ein Geständnis, das verschiedene Mitglieder des Klubs schwer belasten mußte. Wenn es sich so verhält, liegt das Motiv des Mordes klar zutage: Charles Clay sollte schweigen.“
Kommissar Morry blätterte raschelnd in seinen Papieren. Es hatte den Anschein, als wäre er längst nicht mehr bei der Sache. „Sonst noch etwas?“, fragte er gleichgültig. Inspektor Lawrence druckste eine Weile herum. Sein Gesicht wurde rot vor Verlegenheit.
„Ich glaube“, meinte er schließlich, „man darf die Worte Sidney Romers nicht zu ernst nehmen. Er behauptete nämlich, er hätte in der Nacht vorher einen Toten genau an der gleichen Stelle des Klubsaales liegen sehen. Eine Leiche, die zehn Minuten später spurlos verschwunden war. Das ist natürlich Unsinn, Sir. So etwas gibt es nicht einmal in kitschigen Gruselromanen.“
Kommissar
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