Kommissar Morry - Die Woelfe
verborgen.
Aber als sie dann auch noch ungeniert ihr Kleid auszuziehen begann, wurde es ihm zuviel. Er ergriff eiligst die Flucht, drückte die Tür hinter sich zu und ließ sich in dieser Nacht nicht mehr sehen. Als Daisy Horway am nächsten Morgen erwachte, blickte sie ernüchtert und beschämt auf ihre fremde Umgebung. Mein Gott, dachte sie beklommen. Was habe ich da wieder angestellt. Ich muß Mr. Cromwell um Entschuldigung bitten. Sonst glaubt er am Ende noch, ich hätte mich ihm an den Hals werfen wollen. Sie wusch sich, brachte ihre Frisur auf Hochglanz und kleidete sich mit aller Sorgfalt an. Zehn Minuten später war sie fertig. Sie verließ das Zimmer, ging in die Halle hinunter und blickte forschend in alle Ecken. Endlich entdeckte sie den Diener, der draußen im Wintergarten Ordnung schaffte.
„Wo ist Mr. Cromwell?“, fragte sie verlegen.
Der alte Diener würdigte sie kaum eines Blickes. „Mr. Cromwell ist ausgegangen“, sagte er kühl. „Ich bitte Sie, das Haus zu verlassen, Miss Horway!“
10
Auch am nächsten Abend saßen die Lords vollzählig in Busters Hafenasyl zusammen. Wieder lümmelten sie zu sechst um den engen Tisch und bliesen große Rauchwolken vor sich hin. Ihre Gesichter wirkten allerdings viel bedrückter als am Vorabend. Sie schienen düsteren Gedanken nachzuhängen.
„Wenn es am Freitag wieder nicht klappt“, brummte Steff Cooper verdrießlich, „dann wird es allmählich Essig mit dem flotten Leben. Der Klub wird uns die Gelder sperren lassen. Zwei Jahre tun wir nun schon herum und kommen zu keinem Ziel. Wir können die Wölfe nicht länger vertrösten. Unsere Verzögerungstaktik hängt ihnen schon längst zum Hals heraus.“
„Vielleicht können wir am nächsten Freitag endlich den großen Coup landen“, meinte Fred Hilltopp zuversichtlich. „Einmal muß es ja klappen.“
Fünf Augenpaare riditeten sich auf Nick Gunnermann.
„Wie ist es, Nick?“, fragte Steff Cooper ungeduldig. „Hast du nun endlich alle Schlüssel beisammen, die wir brauchen? Oder willst du weiterhin alles auf die lange Bank schieben?“
Nick Gunnermann wiegte bedächtig den Kopf hin und her. „Ihr stellt euch das zu leicht vor, Boys“, preßte er durch die gelben Raucherzähne. „Ich war mindestens sechzig Mai in dieser verdammten Druckerei. Einmal kam ich als Bürobote, dann wieder als Klempner oder als Mechaniker vom Telephonamt. Ein halbes Jahr habe ich gebraucht, um wenigstens von den Schlössern der Außentüren Wachsabdrücke nehmen zu können. Ich mußte es unauffällig tun. Hätte mich jemand beobachtet, so wäre alle Mühe umsonst gewesen.“
„Ja, ja“, knurrte Steff Cooper unwillig. „Das wissen wir doch längst. Wir wollen von dir hören, ob du nun endlich diese verdammten Schlüssel beisammen hast. Können wir am nächsten Freitag starten?“
Wieder wiegte Nick Gunnermann seinen großen Kopf hin und her. „An den eigentlichen Lagerraum bin ich nicht herangekommen“, murmelte er halblaut. „Folglich konnte ich auch keinen Schlüssel für die Türen zum Lager herstellen. Aber was besagt das schon. Wir treffen ja ohnehin auf zwei Posten. Wenn wir diese Männer überwältigen können, haben wir auch die Schlüssel. Wir brauchen sie ihnen nur abzunehmen.“
Seine fünf Kumpane machten lange Gesichter. Dieser Einbruch war schwieriger als alles, was sie vorher unternommen hatten. Sie hatten sich zwar fast ein Jahr Zeit gelassen, um den Coup haargenau auszuknobeln, aber der winzigste Fehler in ihrer Rechnung konnte sie allesamt in den Abgrund stürzen.
„Am Freitag“, murmelte Fred Hilltopp, „sind nur zwei Posten im Druckereigebäude. Das habe ich inzwischen in Erfahrung bringen können. Der Wachhabende ist krank geworden. Er hat die Masern und liegt im Bett.“
„Die beiden anderen reichen vollauf“, murrte Lewis Farrant. „Wenn wir erst schießen müssen, ist schon das halbe Spiel verloren.“
Sie unterbrachen ihr Gespräch. Der Kellner kam an ihren Tisch heran. Er beugte sich vertraulich näher. „Ein Fremder will dich sprechen, Steff“, flüsterte er. „Er wartete draußen an den Gas Works. Du sollst sofort zu ihm kommen.“
Steff Cooper blickte verlegen in die Runde. Sein Gesicht war um einen Schein bleicher geworden. „Wer geht mit?“, fragte er heiser. Von den Boys hatte keiner große Lust, ihn zu begleiten. Sie drucksten hin und her.
Schließlich nahm sich Lewis Farrant ein Herz. „Was kann schon passieren?“, brummte er. „Wenn wir in einer Stunde
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