Kommissar Morry - Die Woelfe
gereizt. „Es waren Ratschläge, die Lawrence geradewegs in den Tod trieben. Warum haben Sie ihm den schweren Gang denn nicht abgenommen? Warum ließen Sie ihn allein gehen?“
Kommissar Morry schwieg. Seine Finger spielten nervös mit der Leitungsschnur. Sein sympathisches, jugendliches Gesicht war blaß geworden. Die Augen blickten leer auf den Hörer.
„Sie werden noch heute den Fall übernehmen, verstanden?“, tobte der andere mit grollender Stimme weiter. „Ich gebe Ihnen eine Woche Zeit. Wenn Sie mir in acht Tagen nicht sagen können, welcher Schurke Inspektor Lawrence auf dem Gewissen hat, dann werde ich Ihr Versagen an höchste Stelle weiter berichten. Sicher wissen Sie, was das zu bedeuten hat.“
Kommissar Morry widersprach nicht. Er blieb völlig still. Hätte er auch nur ein einziges Wort gesagt, so wäre das furchtbare Donnerwetter endlos weitergegangen.
So aber verstummte es allmählich. Das große Geschrei hörte auf. „In acht Tagen also“, knurrte der Setkionspräsident zum Abschluß seiner Tiraden. „In einer Woche verlange ich Ihre Vollzugsmeldung.“
Kommissar Morry legte den Hörer auf. Dann erhob er sich und schloß seinen Schreibtisch ab. Aus dem Kleiderspind nahm er Hut und Mantel. „Wie sich diese hohen Herren das vorstellen“, murmelte er kopfschüttelnd. „In acht Tagen soll ich einen Mörder zur Strecke bringen, von dem man bisher so gut wie überhaupt nichts weiß. Anscheinend meinen diese Leutchen am grünen Tisch, ich sei ein Wundermann. Aber zaubern kann ich auch nicht. Es dauert eben alles seine Zeit. Nur die Geduld bringt Rosen.“
Er stieg drunten am Victoria Embankment in seinen Dienstwagen ein und fuhr schnurstracks nach Belgravia hinüber. Es war nur eine kurze Strecke. Nach drei Minuten schon stoppte Morry den Wagen. Er hielt am Ladogan Place, unmittelbar vor dem imposanten Haus Dr. Vanmerens. Als er in das Wartezimmer kam, blickte er in die gelangweilten Gesichter von mindestens dreißig Patienten.
„Nehmen Sie bitte Platz, Sir“, sagte die hübsche Sprechstundenhilfe. „Geben Sie mir Ihren Krankenschein!“
„Gott sei Dank bin ich vollkommen gesund“, lächelte Morry freundlich. „Melden Sie mich Ihrem Chef, kleines Fräulein. Sagen Sie ihm, Kommissar Morry wolle ihn sprechen. Er hat sicher ein paar Minuten Zeit für mich.“
Die Kleine machte verwunderte Augen und trollte dann eiligst ab. Als sie wiederkam, hielt sie bereits die Tür des Sprechzimmers auf. „Sie können eintreten, Sir“, meldete sie pflichteifrig.
Kommissar Morry schritt langsam über die Schwelle des Sprechzimmers. Seine Blicke suchten Dr. Vanmeren. Er sah den vielbeschäftigten Arzt am Schreibtisch sitzen. Er machte eben ein paar Eintragungen in eine Krankenkladde. Sein Gesicht wirkte wie immer gütig und väterlich. Er erhob sich höflich, als er den berühmten Polizeioffizier an seiner Seite stehen sah. „Was kann ich für Sie tun, Kommissar? Wahrscheinlich wollen Sie verschiedene Fragen an mich richten, nicht wahr? der tragische Tod Ihres Kollegen . . .“
Kommissar Morry blickte sich neugierig in dem luxuriösen Sprechzimmer um. Auch das modernste Krankenhaus konnte sich nicht rühmen, eine derartige Ausstattung an Instrumenten und Apparaten zu besitzen. „Alle Achtung“, murmelte er anerkennend. „Diese Einrichtung hat verdammt viel Geld gekostet, wie? Dabei sagt man immer, die Ärzte verdienen heutzutage nichts mehr. Wie haben Sie das geschafft, Doc?“
Dr. Vanmeren hüstelte nervös in die vorgehaltene Hand. „Eine kleine Erbschaft“, murmelte er gepreßt. „Eine Tante väterlicherseits hinter ließ mir ein mittleres Vermögen.“
„Über diese Tante“, sagte Morry, „werden wir bestimmt noch öfter sprechen. Was haben Sie denn dafür bekommen, daß Sie Sidney Romer zweimal in Ihr Haus lockten? Denke, der Mörder wird Sie für diese Gefälligkeit nicht schlecht bezahlt haben. Für diese Summe könnten Sie meiner Schätzung nach ein drittes Wartezimmer einrichten.“
Dr. Vanmeren war solche Töne nicht gewöhnt. Irritiert blickte er den gefährlichen Kommissar an. Seine Blicke wurden unstet. Er senkte den Kopf.
„Wir wollen vernünftig miteinander reden, Doc“, plauderte Morry in sanftem Tonfall weiter. „Lassen wir diese Tante vorerst beiseite. Wenn ich nicht irre, hat Ihnen der verstorbene Rechtsanwalt William Farrington den neuen Patienten zugeführt. Ich meine Sidney Romer. Stimmt das?“
„Ja, das stimmt“, stieß Dr. Vanmeren hastig hervor. „Er
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