Kommissar Morry - Dunkle Maechte
machte ihn unsicher und er wußte nicht, wie er beginnen sollte, um so mehr als er unter Umgehung des Dienstweges auf eigene Faust den Kommissar aufgesucht hatte. Jetzt räusperte er sich genauso wie Peter Egan. So beugte er sich ein wenig vor und sagte freundlich: „Wie wäre es mit einem Whisky?“
Der Alkohol wirkte. Bald verlor der junge Kriminalassistent seine Hemmungen und begann unaufgefordert zu berichten. Er setzte dem Kommissar den Mordfall in Thounden auseinander und begründete sein Erscheinen damit, daß er nicht davon überzeugt sei, in John Withman den Mörder zu sehen.
Zum ersten Mal unterbrach ihn Morry: „Es spricht doch aber schließlich alles gegen diesen John Withman . . .“
Hilflos zuckte Jim Rachow mit den Schultern.
Nun fragte der Kommissar: „Weiß Inspektor Webb, daß Sie mich aufsuchen wollten?“
„Ich habe heute meinen freien Tag und mein Besuch bei Ihnen sollte privater Natur sein, Herr Kommissar“, entgegnete der junge Mann. „Mein Gefühl sagt mir, daß John Withman unschuldig ist . . . Ich habe lange mit mir gerungen, bevor ich mich entschloß, Sie aufzusuchen, Kommissar Morry.“
„Ein Kriminalbeamter sollte sich hüten, mein lieber junger Freund, nur nach seinen Gefühlen zu gehen. Ich kann mir schon denken, wie es in Ihnen aussieht . . . Sie können einfach nicht begreifen, daß der ehemalige Jugendfreund zum Mörder geworden sein soll.“
„Nein, so ist es doch nicht“, erklärte der junge Beamte mit fester Stimme, „aus logischen Erwägungen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß John Withman nicht der Mörder gewesen ist. John ist ein überdurchschnittlich kluger Mensch, wenn er wirklich die Morde ausgeführt hätte, so wäre er nicht so primitiv vorgegangen. Es ist festgestellt worden, daß er wirklich eine Station früher ausgestiegen ist. Er selbst gibt sogar zu, unweit des Tatortes sich auf gehalten zu haben, meinen Sie nicht auch, Herr Kommissar, daß John eine bessere Ausrede gefunden hätte? Auch die Tatsache, daß er das Geld bei sich hatte, läßt mich nicht irre werden. Sie können sagen, was Sie wollen, Herr Kommissar, hier stimmt irgend etwas nicht.“
Erwartungsvoll blickte Jim Rachow auf den Kommissar. Als er aber sah, daß Morry in eine Zeichnung vertieft war, die er gerade anfertigte, war er über das Verhalten des Kommissars so sehr enttäuscht, daß er bereute, hierhergekommen zu sein. Mit welchen Hoffnungen war er nach London gefahren.
Plötzlich deutete Kommissar Morry auf die Zeichnung, die nun fertiggestellt war und fragte: „Wie gefällt Ihnen mein Bild, Rachow . . . würden Sie mich darauf wiedererkennen?“
Diese Worte brachten den jungen Beamten vollkommen durcheinander, trotzdem aber nahm er das Blatt Papier an sich, betrachtete die Zeichnung, schüttelte den Kopf und sagte: „Das wollen Sie selbst sein, Herr Kommissar. Es ist doch überhaupt keine Ähnlichkeit vorhanden, nein, das sind Sie nicht, es steht ja auch ein ganz anderer Name darunter, Herr Kommissar, Kriminalreporter Harry Holger von der Londoner Abendpost.“
„So werde ich morgen aussehen“, erklärte Kommissar Morry mit ernster Stimme, „wenn ich als Kriminalreporter Harry Holger nach Thounden komme. Es wird dort leichter für mich sein, Nachforschungen anzustellen, wenn ich nicht als Kriminalbeamter auftrete. Vielleicht ist es sogar gut, auch vor Inspektor Webb diese Rolle zu spielen.“ Nachdem Jim Rachow den berühmten Kommissar verlassen hatte, wanderte Morry lange Zeit in seinem Arbeitszimmer umher. Als die Dämmerung hereinbrach, begann er sein Äußeres zu verändern. Dann begab er sich zu dem Kriminalrat. Als er in dessen Zimmer trat, herrschte dieser ihn an: „Wie kommen Sie dazu, mein Herr, unangemeldet mein Büro zu betreten.“
„Verzeihen Sie, daß ich störe“, und der Kommissar verneigte sich devot, „ich bin. Kriminalreporter Harry Holger von der Londoner Abendzeitung und möchte Sie interviewen.“
„Um diese Zeit?“ sagte der Kriminalrat, „sind Sie des Teufels, Herr!“
Grinsend trat Morry näher und ließ sich unaufgefordert in einen Sessel fallen. Gelassen erklärte er: „Ich finde, Herr Kriminalrat, die Mordinspektion und die Presse sollten Hand in Hand arbeiten.“
Der alte Kriminalrat rang nach Luft. Soviel Unverschämtheit war ihm noch nicht vorgekommen. „Scheren Sie sich zum Teufel“, schrie er unbeherrscht, „ich habe Wichtigeres zu tun, als mich von Ihnen interviewen zu lassen. Wenden Sie sich an Kommissar Morry.“ Er
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