Kommissar Morry greift ein Kommissar Morry
Mister Williams bei dem Besuch in Ihrem Bankgebäude einen Begleiter bei sich hatte. Beschreiben Sie mir bitte einmal diesen Mann ganz genau.“
Henry Porter tat es, so gut er es vermochte.
„Ist Ihnen sonst nichts aufgefallen?“ forschte Morry gespannt. „Ich wette mit Ihnen tausend zu eins, daß Mister Williams Handschuhe trug, als er sich mit seinem Safe beschäftigte . . . stimmt doch, nicht wahr?“
„Jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir wieder auf. Aber der Mann war bestimmt Mister Williams.“
„Kennen Sie ihn denn so genau?“ kam die Gegenfrage.
„So ziemlich. Ich hatte im vergangenen Jahr schon einmal das Vergnügen gehabt, mich mit Mister Williams in seinem Hause eine Weile zu unterhalten.“
„Also eine Verwechslung ist unmöglich! Bevor ich Inspektor Slade aufsuchte“, sagte nun Kommissar Morry, „hatte ich schon das Vergnügen, mich mit der Haushälterin des alten Sonderlings, Miß Yellow, zu unterhalten. Ihre Beschreibung von Mister Braddock deckt sich genau mit der von Miß Yellow . . . Übrigens tut sie mir leid . . . sie scheint einen Schwindler aufgesessen zu sein... hier stimmt etwas nicht! Die Frau hat mir Mister Williams als einen überaus mißtrauischen Menschen geschildert, der derartig ängstlich war, daß er nicht einmal die Tür öffnete, wenn es klingelte. Und ausgerechnet diesen geheimnisvollen Mister Braddock, der ihm nach Angaben der Haushälterin vollkommen fremd sein mußte, den nimmt er einfach auf . . . vermietet ihm ein Zimmer... nein, da komme ich nicht mit. Weiterhin hat Miß Yellow festgestellt, daß eine Batterie leerer Whiskyflaschen in der Wohnung herumstanden . . . Miß Yellow dagegen sagt aus, daß der alte Williams eine Abscheu vor Whisky hatte . . .“
„Da fällt mir etwas ein, Herr Kommissar“, rief erregt der Bankdirektor aus, „bei seinem Besuch lechzte Mister Williams förmlich nach Whisky. Er forcierte mich immer wieder auf, sein Glas zu füllen . . .“
Über zwei Stunden hielt sich Morry bei dem Untersuchungsgefangenen auf. Nun hatte er alles erfahren, was er wissen wollte, reichte Henry Porter die Hand und sagte mit fester Stimme:
„Ich glaube Ihnen, Mister Porter . . . aber bitte, verlieren Sie kein Wort darüber, was wir beide miteinander besprochen haben.“
„Mein Gott, Kommissar Morry“, stammelte erschüttert der verzweifelte Mann, und zum ersten Mal lag in seinen Augen ein Hoffnungsschimmer, „Sie glauben mir?! Ich danke Ihnen, Sie ahnen gar nicht, was Ihre Worte für mich bedeuten.“
Als Morry Schritte vernahm, zog er hastig seine Hand zurück und blickte Henry Porter kühl an. Bedeutsam legte er dabei seinen Finger auf die Lippen. Da wurde auch schon mit einem Ruck die Tür aufgerissen. Mit hochrotem Gesicht stand im Rahmen Inspektor Slade und schrie den Gefangenen an:
„Nun gestehen Sie schon, Herr Generaldirektor. . . Das Spiel ist aus! ... Ja, ja, Kommissar Morry . . . sehen Sie mich ruhig an, als ob ich geistesgestört wäre, aber hier“, und er hielt triumphierend ein Bündel Geldnoten hoch, „hier ist der Beweis! Wissen Sie, wo ich das Geld gefunden habe, es sind nämlich Banknoten aus dem Einbruch ... bei Ihnen in der Villa, Herr Untersuchungsgefangener . . .“
„Bei mir im Haus?“ stammelte Porter und warf einen verzweifelten Blick zu Kommissar Morry, der ihn eigenartig musterte.
„Ja, in Ihrer Villa“, wiederholte der Inspektor, „und zwar im Geheimfach des Schreibtisches . . . ein sehr gutes Versteck, aber dennoch .. . mein Spürsinn, ja, ja... na Kommissar Morry, sind Sie immer noch davon überzeugt, daß Ihr Sorgenkind unschuldig ist?“ Stumm blickte Morry vor sich hin. Er schien nicht den flehenden Blick Henry Porters zu spüren. Erst als der Mann aufstöhnte, wandte er sich ihm zu, blickte ihn fest an und fragte:
„Haben Sie dafür eine Erklärung, Mister Porter? Nein?! Wie sollten Sie auch . . . aber sagen Sie mir... sehen Sie mich an... sagen Sie mir, haben Sie mit der Sache etwas zu tun?“
Henry Porter atmete schwer. Unter dem sengenden Blick Kommissar Morrys errötete er. „Ist schon gut“, winkte Morry ab, „leben Sie wohl, Mister Porter, und vergessen Sie nicht, daß ich trotz allem von Ihrer Unschuld überzeugt bin... Jetzt beginnt mein Kampf!“ Dann ließ sich Morry zu der Villa des Untersuchungsgefangenen fahren.
*
Er sollte aber sein Ziel nicht erreichen. Nach wenigen Minuten schon wurde sein Wagen von einem Motorradfahrer überholt — es war ein Polizeibeamter, der den
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