Kommissar Morry - Ich habe Angst
heute wieder helfen will, dachte Esther Harras rasch. Ich werde ihm nichts von dieser Bombe sagen. Er würde vielleicht zur Polizei laufen oder sonst irgend etwas Dummes tun. Alban Lampard wäre damit nur gewarnt. Er würde dann sofort einen neuen teuflischen Schachzug tun. Das darf auf keinen Fall geschehen.
Laut sagte sie: „Wo könnten wir uns treffen, Mr. Havard?"
Prompt kam die Antwort: „Das überlasse ich Ihnen, Miß Harras. Aber warum bleiben wir nicht beim Cafe Tabarin? Ich fand es sehr gemütlich dort."
„Gut", sagte Esther Harras mit raschem Atem.
„Kommen Sie bitte ins Cafe Tabarin. Ich erwarte Sie dort. Auf Wiedersehen, Mr. Havard."
Geschafft, jubelte es in ihr. In spätestens zehn Minuten ist er der Hölle entronnen. In meiner Nähe wird ihm nichts passieren. Dafür werde ich sorgen. Sie verließ das Büro und kehrte an ihren Tisch zurück. Mit strahlender Miene zahlte sie ihre Zeche. Der Wirt blickte sie schmunzelnd an.
„Sie haben ihn erreicht, wie, Madam?" brummte er gemütlich. „Wunderte mich schon die ganze Zeit, warum Sie so allein hier sitzen. Na, dann wünsche ich noch viel Vergnügen für den Abend.“
Eine Viertelstunde später betrat Esther Harras das Cafe Tabarin. Sie wählte den gleichen Tisch, an dem sie letztmals mit Jack Havard gesessen hatte. Sie horchte zerstreut auf die Musikfetzen, die ihr Ohr streiften. Sie musterte flüchtig die Nachbartische. Hier gab es keinen Feind. Keinen von den gefährlichen Handlangern Alban Lam- pards. Sie sah nur Menschen, die heiter und sorglos waren.
„Was darf ich bringen, Madam?" fragte der elegante Kellner.
„Ich warte noch auf einen Herrn", sagte Esther Harras. „Er wird gleich kommen."
Sie hatte noch das letzte Wort auf der Zunge, da stand Jack Havard auch schon vor ihr. Er trug einen dunklen Abendanzug und einen blütenweißen Hemdkragen mit gestreifter Krawatte. Er war ein Traum von einem Mann. Ein paar Damen blickten sich lächelnd nach ihm um.
„Ich freue mich, daß Sie gekommen sind", sagte Esther Harras glücklich, und sie war in diesem Moment schöner als je zuvor. Die pfirsichzarte Haut, die betörenden Augen und der verheißungsvolle Mund mußten jeden Mann in ihren Bann ziehen. Jack Havard bestellte Kaffee und Likör. Er bot ihr eine Zigarette an. Er tat es ziemlich zerstreut. Sein Gesicht wirkte ernst und zergrübelt.
„Ich habe", sagte er, „in den letzten Tagen oft an Lydia Scott denken müssen. Sie kennen die junge Dame doch auch? Sie waren ja eigentlich daran schuld, daß ich das Mädchen nach Mala Green begleitete."
„Damals haben wir uns kennengelernt", sagte Esther Harras versonnen.
Jack Havard überhörte die Worte. Seine Stirn kerbte sich in tiefe Furchen.
„Wäre es möglich?" fragte er, „daß Lydia damals völlig ahnungslos nach Mala Green kam, daß sie überhaupt nicht wußte, was sie dort erwartete? Oder glauben Sie, daß alles ein abgekartetes Spiel zwischen ihr und Alban Lampard war?“
„Ich weiß nicht", sagte Esther Harras tonlos. „Ich kann Ihnen keine Antwort auf diese Frage geben."
Jack Havard rührte gedankenvoll in seiner Tasse.
„Sie wirkte immer sehr bekümmert und unglücklich", meinte er. „Das muß doch irgendeinen Grund gehabt haben? Vielleicht war sie besser, als ich denke. Vielleicht war sie wirklich nur ein willenloses Werkzeug in den Händen Alban Lampards."
„Sie müssen sehr viel für diese junge Dame übrig haben", sagte Esther Harras, und es war ein wenig Schmerz und Bitterkeit in ihrer Stimme. „Sie reden nur von ihr. Sie haben für nichts anderes Interesse."
„Also gut", sagte Jack Havard mit mattem Lächeln. „Wechseln wir das Thema. Was tun Sie jetzt, Miß Harras? Gehen Sie noch immer bei Alban Lampard ein und aus?"
Ich war erst heute Nachmittag bei ihm, wollte Esther Harras sagen. Aber sie verschwieg die Worte noch rechtzeitig. Das Lächeln auf ihrem Gesicht verblühte. Sie wurde wieder nervös und zerfahren. Ständig blickte sie auf die Uhr. Um Mitternacht wollte Jack Havard nach Hause gehen, aber Esther Harras konnte ihn noch bis zur Sperrstunde halten. Um ein Uhr brachen sie dann endgültig auf. Sie mußten sich verabschieden. Sie waren die letzten Gäste. Der Kellner schloß gähnend hinter ihnen die Tür ab.
„Ich darf Sie doch nach Hause bringen?" fragte Esther Harras gepreßt.
„Ich nehme es gern an", sagte Jack Havard lächelnd. Sie stiegen ins Auto. Esther Harras nahm hinter dem Steuer Platz. Was mache ich denn, dachte sie verzweifelt. Ich
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